“Wohlgeraten”-Landhausstil: eine Frau und ihr Traum-Shop

„Ich verkaufe nur, was ich verschenken würde“

Vor fünf Jahren hat Charis Stank (46) den Traum von einem eigenen Online-Shop für Alpenprodukte im Landhausstil verwirklicht – und lebt so ganz nebenbei auch noch ihre Leidenschaft fürs Reisen aus. Verena hat sie vor ein paar Jahren bei einem Coaching kennen gelernt und wollte gerne mehr über sie, ihr Leben und ihre Arbeit wissen

 40-something: Als ich dich zum ersten Mal getroffen habe und du erzählt hast, dass du einen Online-Shop für Landhausstil-Produkte aus den Alpen hast, dachte ich erst, du wärst Österreicherin oder Schweizerin. Weit gefehlt…

Charis Stank: Nein, ich komme eigentlich aus der Oberlausitz, also aus Sachsen. 1986 bin ich gemeinsam mit meinen Eltern in die Bundesrepublik ausgereist. Heute lebe ich in Hamburg. Die Liebe zum Unterwegssein und zum Abenteuer, die haben mir aber meine Eltern schon in meiner Kindheit in der DDR beigebracht. Da sind wir dann eben nicht nur an die Ostsee gefahren, sondern nach Bulgarien, das Auto randvoll gepackt mit Essen, Kocher und Schlafsäcken, und haben an der Straße oder im Wald übernachtet. Das war echter Abenteuerurlaub, nicht immer ungefährlich. Meine Bergbegeisterung kam später, so richtig gepackt hat es mich mit Mitte 30, als ich beschlossen hatte, endlich wieder Skifahren zu gehen und dann das Snowboarden viel cooler fand. Seitdem bin ich viel in Österreich, Italien und der Schweiz unterwegs gewesen, erst meist im Winter, später auch zum Wandern im Sommer.

Wohlgeraten Onlineshop

Auf der Tiroler Sonnenterrasse (c) Charis Stank

Und dann hattest du die Idee, aus deiner Begeisterung für die Berge ein Geschäft zu machen?

Auf Umwegen. Ursprünglich bin ich gelernte Schneiderin und habe lange als selbständige Modedesignerin gearbeitet. Dabei habe ich nicht nur entworfen, sondern alles gemacht, vom Einkauf der Stoffe bis zum Zusammenstellen von Kollektionen und Verkauf auf Messen. Der ganze Handelsbereich war mir also nicht fremd. Dann, mit etwa 40, änderten sich einige Lebensumstände und ich bekam Lust noch etwas zu lernen. Ich habe Grafikkurse gemacht, wollte verstehen, wie Programme wie Photoshop und Illustrator funktionieren, und habe mir damals schon die Domain Wohlgeraten gesichert. Erstmal hatte ich aber noch keinen Plan, was ich damit machen will – der Begriff passt ja zu vielem, von Kindern bis Kuchen.

Aber Kuchen wurde es dann nicht…

Nein, obwohl manche Freunde das gern gesehen hätten. Als es vor einigen Jahren losging mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken, habe ich gelegentlich Fotos von meinem Essen gepostet, das hat den Leuten gefallen. Mach doch ein Café auf, das war ein Rat, den ich häufig bekam. Aber das wollte ich nicht, ich habe nie in der Gastronomie gearbeitet, da kenne ich mich nicht aus. Ich dachte eher: Okay, wenn die Leute meine Bilder mögen, warum nicht über schöne Bilder Produkte verkaufen?

Wie bist du in die neue Existenz gestartet?

Ich hatte ein minimales Budget, und musste mich entscheiden: Kaufst du jetzt für dein Geld Waren ein, oder steckst du es in die Technik? Gut, dass ich jemanden kannte, der mit mir die Technik eingerichtet hat, dann fiel die Entscheidung nicht ganz so schwer. Es war keine riesige Investition, ein Café hätte sicherlich mehr gekostet, aber wiederum verdient man am Anfang auch nicht viel, wenn der Warenbestand nicht groß ist. Das ist eine ziemliche Herausforderung. Man wächst im Grunde von Tag zu Tag. Ich würde jedem, der mit dem Gedanken an einen Online-Shop spielt, raten: Man braucht auf jeden Fall ein zweites Standbein, einen Brotjob, jedenfalls am Anfang. Das hatte ich nicht und es war wirklich schwer.

Also lagerten plötzlich kistenweise Sachen bei dir?

 Ja, angefangen habe ich mit Decken aus der Steiermark, mit Wollsocken aus Bergschafwolle. Und auch noch mit ein paar Sachen, die gar keinen Bezug zu den Alpen hatten, das war am Anfang nicht so eindeutig mein Thema. Die Devise war vor allem: Ich verkaufe nur, was so viel taugt, dass ich es selber gern verwende, oder was ich so schön finde, dass ich es auch verschenken würde. Aber schon bald habe ich gemerkt, wenn ich mich nur in Hamburg um meinen Shop kümmere, dann komme ich gar nicht mehr in die Berge. Deshalb habe ich beschlossen, wieder mehr zu reisen und dort mehr Produkte aufzutun. Ich hatte damals schon immer meine kleine Espressokanne von Bialetti dabei und einen Kocher, um mir auch auf der Almwiese einen Kaffee machen zu können, und habe das manchmal fotografiert – dabei kam mir die Idee, dass ich die Dinge, die ich verkaufe, ja auch dort fotografieren könnte, wo sie herkommen.

Onlineshop Wohlgeraten

Fleißige Socke: Im Online-Shop gibt’s nicht nur Schönes, auch Praktisches (c) Charis Stank

Ab wann hast du schwarze Zahlen geschrieben?

Ich erstelle meine extrem ordentliche Buchhaltung selbst, vergesse aber Zahlen, sobald sie einmal aufgeschrieben wurden. Frag mich, wieviel ein frisches Brot aktuell kostet: keine Ahnung! Aber wenn Du mich fragst, ob es geschmeckt hat, kann ich sofort sagen, ob ja oder nein und welchen Käse ich dazu empfehlen würde.

Wie findest du die Produkte für wohlgeraten?

Die ersten Teile fand ich in meinem Alltag oder auf Messen. Ich habe geschaut, was ich selber gern nutze und was etwas taugt. Später suchte ich gezielter nach Produkten aus den Bergen oder für die Berge. Durch die Reisen für das Blog begegnet mir heute vieles unterwegs in den Alpenregionen. Zum Beispiel diese hölzernen Hocker aus Tirol, die kommen aus einer kleinen Tischlerei, die drei Brüdern gehört. Die haben keine E-Mail-Adresse, nicht mal ein Fax, sondern nur ein Telefon. Die Rechnungen schreiben sie noch alle per Hand und wenn man anruft, um etwas zu bestellen, dann geht halt jemand dran oder auch nicht. Als ich kürzlich Nachschub brauchte, kam ich glücklicherweise auf dem Weg ins Meraner Land durch Tirol. Ich habe das ganze Auto mit Hockern und Holzherzen vollgeladen, damit ich einen Vorrat habe. Mein Freund braucht auf Reisen in die Alpen immer gute Nerven und ein kleines Gepäck.

Welche Sachen sind gerade deine Verkaufsschlager?

Ein Schweizer Hotelier aus der Nähe vom Bodensee hat Messer entwickelt mit verschiedenen Alpenpanoramen auf der Schneide, Matterhorn, Montblanc, Zugspitze – die sind beliebt als Geschenk und schneiden vor allem super. Auch die dicken Wollsocken und Decken aus einer traditionsreichen Lodenwalke werden viel gekauft. Zu meinen persönlichen Lieblingsprodukten gehört die Keramik aus Gmunden mit dem Hirsch oder ganz neu: Toni der Skifahrer. Ich liebe es, morgens meinen Kaffee daraus zu trinken.

Läuft der Shop jetzt ganz lässig nebenbei, oder kommst du schon manchmal an die Grenzen deiner Kräfte?

Zweiteres. Ich gehe keine Nacht vor Mitternacht ins Bett und stehe zeitig auf, denn ich mache ja alles selbst: Die Bestellungen bearbeiten, die Produkte einpflegen, den Shop bewerben. Das ist ein großer Teil der Arbeit. Außerdem habe ich mein Wohlgeraten-Onlinetagebuch rund um die Themen Reise, Genuss, Lebensart. Das hängt thematisch mit dem Shop zusammen und soll darauf auch abstrahlen, aber vor allem möchte ich darin über die Berge und Menschen schreiben, die mich begeistern, für die ich brenne. Abends bin ich komplett erschöpft, aber auf eine befriedigende Art und Weise. Ich mache das, was ich liebe und finde darin den Ausgleich für die Mühen, die mir mein Schaffen abverlangt.

Hört sich gut an – gibt es auch etwas, das du als mühselig empfindest?

 Als ich den Shop gestartet habe, dachte ich: Wenn ich für eine gute Auffindbarkeit im Netz sorge, dann läuft das fast von selbst. Ich habe total unterschätzt, welche Rolle Printmedien nach wie vor spielen. Im Netz wird zwar gejubelt und man bekommt ganz viel Lob, das motiviert und beflügelt, aber für den Verkauf ist es viel entscheidender, wenn in Magazinen Fotos von meinen Produkten abgebildet werden. Manchmal reicht schon ein kleines Bild plus Telefonnummer, dann rufen Leute an und freuen sich, wenn sie gleich online oder telefonisch bestellen können.

Liebe Grüße: Im Shop gibt's auch stilvolle Karten (c) Charis Stank

Liebe Grüße: stilvolle Karten aus dem Online-Shop (c) Charis Stank

Zum Abschluss: Verrätst du mir deinen persönlichen Geheimtipp für Reisen in die Berge?

Schwierig – ich kann nicht sagen, dass es ein spezielles Traumziel gibt. Sehr gerne mag ich die malerischen Dörfer in Graubünden, außerdem viele versteckte Winkel in Südtirol und Tirol. Wunderbar ist es auch in Ligurien, denn die Berge ziehen sich südlich des Aostatals ja noch weit hinunter bis zum Meer und das Essen schmeckt mir dort besonders gut. Aber auch Vorarlberg und das Salzburger Land sind reizvoll. Ich kann mich wirklich nicht entscheiden. Wenn ich in den Bergen bin, dann bin ich tiefenentspannt, selbst wenn ich dort recherchiere und Fotos mache. Die Uhren gehen etwas langsamer, das Äußerliche tritt ein Stück zurück, zugunsten des Unmittelbaren.

Solltest du irgendwann keine Lust mehr haben auf deinen Online-Shop, könntest du also auch als Tourismusexpertin arbeiten…

Kann ich mir vorstellen. Mittlerweile kenne ich mich in den Alpen sehr gut aus. Einheimische wundern sich häufig, wie viel ich bereits gesehen habe, und oft kommen wir gerade darüber tiefer ins Gespräch. Meine Social-Media-Kontakte schicken mir Bergbilder von unterwegs mit dem Hinweis, dass sie hier sofort an mich denken mussten und oft bekomme ich Nachrichten wie diese: Du, ich bin gerade da und da, hast Du einen guten Tipp für ein Hotel, Restaurant, etc.? Mir macht das viel Spaß, und wenn ich mein Wissen nicht nur als Liebhaberei weitergeben könnte… wär doch toll?

 

 

 

 

One Reply to ““Wohlgeraten”-Landhausstil: eine Frau und ihr Traum-Shop”

  1. Charis

    Danke für das schöne Interview Verena!
    Ich grübel immer noch, über meinen persönlichen Geheimtipp. Sollte ich mich tatsächlich einmal festlegen, gebe ich Bescheid!
    Fröhliche Grüße!

    Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.