Prinzen-Rolle? Weggeknabbert.

Versorgen kann ich mich selbst: Warum wir nicht den Traummann mit Traum-Gehalt suchen, sondern einen, der uns gibt, was wir brauchen – völlig unabhängig vom Kontostand.

 Der Satz klang nach Beziehungsfrust. „Er wird mir nie ein Pferd kaufen!“, schrieb die Frau in einem Internet-Forum. Die begeisterte Reiterin hatte zwar ihren Prinzen gefunden. Aber eher einen zum Pferdestehlen als zum Araberhengste shoppen. Einen, an dem alles stimmte – außer seiner Vermögenslage. Sie verdiente deutlich mehr, überwies das Geld für gemeinsame Urlaube, zahlte die Tapas beim Spanier. Es dauerte nicht lange, da erschien eine Antwort in der Kommentarleiste. „Eine richtige Frau kauft sich ihr Pferd selbst.“

Prinz gefunden - Pferd selbst gekauft? © A. Göttlicher

Prinz gefunden – Pferd selbst gekauft? © A. Göttlicher

Ein cooler Satz. Ein Satz aus dem 21. Jahrhundert. Und ein Satz, an den ich in letzter Zeit häufig denken musste. Vorletzte Woche, als ich im SPIEGEL den Beitrag über die schmutzige Trennung eines ehemaligen Glamour-Paares las – ganz offenbar hatte die Frau den Ansehens- und Luxusverlust nicht verknusen können, nachdem er seinen hochbezahlten Posten verlor. Nein, das war nicht Bettina Wulf, auch wenn der Gedanke nahe liegt. Und auch neulich fiel mir der Pferdekommentar ein, als sich in Günter Jauchs Sonntagabendrunde ein Möchtegern-Hipster mit Britpop-Frisur und roten Chucks auf einem Sessel fläzte und unwidersprochen Sätze von sich geben konnte wie „Es ist ja selbstverständlich, dass eine Frau ihr Kind zu Hause erziehen will und muss und deshalb auf Einkommen verzichtet.“ Als gehörten nicht im Idealfall zwei dazu, um das System Familie am Laufen zu halten. Stattdessen blickten mir aus Magazinen und Talkrunden Frauen und Männer mit Haaren von heute und Ansichten von gestern entgegen, die beinahe meine Hoffnung im Keim ersticken würden, dass sich endlich mal was dreht.

Aber doch, es gibt Hoffnung. Vor einiger Zeit ließ das EMNID-Institut im Auftrag einer Frauenzeitschrift fragen: Was ist wichtiger, Geld oder Liebe? Und immerhin 41 Prozent aller befragten Frauen zwischen 29 und 39 sagen: „Ja, ich würde eine feste Beziehung eingehen mit einem Mann, der deutlich weniger verdient als ich.“ Zwar bleiben immer noch knappe zwei Drittel, die keine Zukunft sehen mit einem finanziell schlechter gestellten Partner. Aber dennoch zeigt das Ergebnis deutlich: Da ist etwas in Bewegung. Unsere Mütter hätten wohl kaum so geantwortet. Noch klarer sieht’s aus bei der Frage nach einem eigenen Konto: Drei von vier Frauen sind dafür, dass jeder seine Finanzen selbst verwaltet. Auch, wer in einer festen Beziehung das Portemonnaie zückt, ist schon lange nicht mehr selbstverständlich: 48 Prozent aller Befragten sagten „er bezahlt mehr“, bei einem Viertel werden Rechnungen Fifty-fifty geteilt, bei einem weiteren Viertel ist sie die Haupt-Geldgeberin.

Stefan Woinoff, Paartherapeut aus München, kann diesen Trend bestätigen. Sieben Jahre ist es her, dass er ein Buch zum Thema geschrieben hat: ein Appell an Frauen in den bindungswilligen Jahren, nicht mehr länger Männer auszusortieren, die weniger verdienen. Nur, weil die keine Altbauwohnung in Schwabing kaufen und nicht zum Heli-Skiing nach Kanada fliegen können. Seitdem, sagt der Experte, ist eine Veränderung spürbar – zumindest in Ansätzen. Zwar wird noch immer nach klassischem Beuteschema gesucht. Vor allem in Internetbörsen, weil diese mit verführerischen Versprechen ködern: Hier findest du per Computer-Algorithmus den Kerl, an dem alles stimmt bis zur Höhe seiner Lebensversicherung. Aber, so Woinoff: „Gerade bei gebildeten Frauen in den 30ern und 40ern nehmen positive Vorbilder zu. Fast jeder hat plötzlich ein Paar im Bekanntenkreis, das eine ungewöhnliche Rollenverteilung praktiziert, und damit spürbar glücklich ist.“ Die Personalreferentin und der Musiker, die Chefredakteurin und der freie Fotograf, die Büroleiterin und der Ein-Mann-Verleger – Beispiele aus dem wirklichen Leben.

Denn: Gut ausgebildete, zielstrebige Frauen verlieben sich ja nicht in orientierungslose Loser. Oder in Typen, die von einem Dasein als Nur-Hausmann träumen, weil sie nichts Besseres gelernt haben, als Gemüse zu putzen. Sondern in Männer, die sich oft bewusst für einen Weg entschieden haben, der ihnen nicht das große Geld bringt, aber vielleicht die große Erfüllung. Ob sie Drehbücher schreiben, Musikinstrumente bauen, sich als Erzieher in der Kita engagieren oder als Fußballtrainer im Problemviertel-Verein. „Für eine Beziehung, die nicht den üblichen sozialen Normen entspricht, braucht es auf beiden Seiten Selbstbewusstsein“, sagt Stefan Woinoff. Und findet: „Männer, die ihrerseits kein Problem mit besser verdienenden Frauen haben, sind häufig besonders angenehme Zeitgenossen.“

Mein Haus, meine Yacht, mein SUV? Über diese männliche Status-Olympiade können diese Kerle nur müde lächeln. Denn sie haben etwas viel besseres: Ihre Leidenschaft, ihre Begeisterung, ihre Erfüllung. Sie wissen, was sie der Frau an ihrer Seite zu bieten haben. Und sie sind zwar nicht reich, aber meistens ganz schön schlau. Eine aktuelle Studie der University of Cornell (New York) zeigt: Je gebildeter der Mann, desto weniger nagt es an seinem Selbstbild, wenn er zu Monatsanfang weniger auf dem Konto hat als sie. Folge: Wenn Frauen finanziell die Nase vorn haben, gehen Männer mit niedrigem Bildungsstand überdurchschnittlich häufig fremd. Der Rest ist dagegen viel zu clever, um seine Männlichkeit an Zahlen festzumachen. Und muss sich nicht aushäusig beweisen.

© A.Göttlicher

© A.Göttlicher

 

Dabei gibt es auch in Beziehungen mit Geld-Gefälle Wünsche, die sich nicht so einfach einmotten lassen. Vor allem einer: Männer möchten bewundert werden – und Frauen möchten zu ihnen aufschauen. Wenigstens manchmal. Ich Tarzan, du Jane – so weit, so archaisch. Aber wo steht geschrieben, dass das ein Problem sein muss? Es gibt so viele Dinge, die uns stolz machen können. Klar ist es schick, wenn ein Mann mit großer Geste den besten Wein von der Karte bestellt. Aber auf eine andere Weise ebenso toll, wenn er unser Bett selbst bauen kann. Oder uns Post-It-Zettel zeichnet, statt SMS zu schicken. Oder dass er immer die richtigen, klugen Fragen stellt.

Und schließlich gibt es noch einen ganz pragmatischen Grund, sich bei der Suche nach einem Mann nicht nur in der Chefetage umzuschauen: das Leben selbst. Denn das ist heute bei weitem nicht mehr so berechenbar wie noch in der Generation unserer Eltern. Wer verspricht uns, dass aus dem Teilhaber eines sexy Startups nicht in zwei Jahren ein Pleitier mit einem Haufen Schulden wird – und wäre das ein Grund, ihn zu verlassen? Im Arbeitsleben beider Geschlechter wechseln sich zunehmend Phasen von Festanstellung, Selbständigkeit und Familienzeiten ab. Es ist überhaupt nicht gesagt, dass für alle Zeiten die gleichen Geldquellen sprudeln. Der ständig klamme Drehbuchautor verdient vielleicht mit Serienkrimis in drei Jahren das große Geld, während unser eigener Arbeitgeber insolvent wird. Alles ist möglich: dass sich Rollen umkehren, dass einer von beiden schwer krank wird, dass einer plötzlich eine tolle Karrierechance bekommt, und leider, leider auch, dass die Liebe endet. Selbst geschiedene Frauen mit kleinen Kindern müssen nach dem neuen Scheidungsrecht rasch wieder für ihren eigenen Unterhalt sorgen. Ganz schön fahrlässig, sich nur auf den Prinzen mit dem dicken Bankkonto zu verlassen.

Denn wenn das plötzlich nicht mehr so gepolstert ist, ist der Sturz umso härter. Ute Klammer, Gleichstellungs-Expertin und Professorin an der Uni Duisburg-Essen, hat kürzlich eine Untersuchung über weibliche Hauptverdienerinnen veröffentlicht und sagt: „Die Mehrheit ist nicht glücklich mit dieser Aufgabenverteilung. Das liegt aber vor allem daran, dass sie unfreiwillig hinein gerutscht sind. Meistens, weil der Mann arbeitslos geworden ist und die Frauen ebenfalls in schlecht bezahlten Jobs sind.“ Umgekehrt, so sagt sie, gibt es eine kleine Gruppe von Frauen, die kein bisschen unter einer solchen Rolle leiden. Etwa, wenn beide gut ausgebildet sind und sie irgendwann einen Vorsprung in Sachen Karriere hat. Kein Problem für Power-Paare. Und, last but not least: Solche Frauen, die weder auf den Aufstieg verzichten wollen, noch auf ein Kind. Für die ist ein geliebter Lebenskünstler sogar ein Sechser im Lotto. Der wird nie aus beruflichen Gründen nach Kuala Lumpur oder Wladiwostok versetzt, sondern kommt eher mit, wenn sie dorthin muss. Und neben allen anderen guten Eigenschaften bringt dieser Typ Mann häufig auch noch diese mit: er ist ein besonders engagierter Vater. Seiner Tochter ein Pferd kaufen, das kann er vielleicht nicht. Aber sie zu den Reitstunden fahren und ihr von der Tribüne aus zuwinken – das kann er. Jede Woche. Wenn’s sein muss, auch häufiger.

 

 

4 Replies to “Prinzen-Rolle? Weggeknabbert.”

  1. Dummerjan

    “Jetzt müssten nur noch genug solcher Männer verfügbar sein ;)”
    Sind sie. Nur sind die Frauen dann immer nicht da.

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  2. Elisabeth

    Ich find’s überhaupt nicht wichtig wie viel Geld ein mann hat sondern wie zufrieden er mit seinem Leben ist! Einer mit viel Geld der aber vor allem für seine Arbeit lebt wäre überhaupt nix für mich.

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