Das Beste haben immer die anderen. Den interessanteren Job, den harmonischeren Urlaub, den schöneren Sommerteint und wahrscheinlich, ach was, ganz sicher: den aufregenderen Sex. Woher ich das so genau weiß? Weil ich so ein Teufelchen im Kopf habe, das alle Naslang in hämisches Gelächter ausbricht und von innen gegen meine Schädeldecke klopft: Hähä, siehste, die hat was, was du nicht hast, das passt dir gar nicht, gibt’s zu, na, naaa?
Fast alle von uns leben mit so einem miesen, fiesen Mitbewohner namens Neid zusammen. Völlig unabhängig davon, wie gut jemand im Leben aufgestellt ist – in Sachen Gesundheit, Freundschaft, Liebe, Erfolg, Geld – , der Schurke findet immer jemanden da draußen, bei dem alles noch eine Spur runder läuft und noch ein wenig glänzender aussieht. „Warum sind wir so schlecht im Gönnen-Können?“, fragte sich neulich auch meine kluge Freundin Hannah in ihrem sehr lesenswerten Blog, und gab auch gleich die Antwort dazu: „Weil die Zufriedenheit der anderen uns zuruft: Du hast es verkackt, Loser!“ Dabei, by the way, führt Hannah eine durchaus beneidenswerte Existenz: Vor einigen Jahren ist sie nach Barcelona ausgewandert und darf dort in der Sonne Tapas essen, während wir uns hier in Hamburg mal wieder mühsam der 20-Grad-Marke von unten annähern. Im Juli. Gemein!
Positiver Neid: mehr Ansporn als Selbsthass
„Neid ist die kleine Schwester des Selbsthasses“, schreibt Hannah treffend. Stimmt, vor ein paar Jahren ist mir aber noch etwas anderes klar geworden: Unser mieser, fieser Mitbewohner hat auch seine guten Seiten. Doch, doch: Positiver Neid kann ein gestochen scharfer Kompass sein, der unsere eigentlichen Ziele anzeigt, ehe wir sie vergessen. Ein Präzisionsmessinstrument, das unerbittlich ans Tageslicht bringt, wo wir uns verfranst haben.
Klar: Es gibt diesen ganz offenkundigen Neid – warum verdient die mehr, warum hat die vollere Lippen oder das bessere Händchen beim Einrichten? – , der keine tieferliegende Message hat als das banale „Man kann halt nicht alles haben.“ Aber manchmal springt das Teufelchen auch ausgerechnet an Punkten aus der Schachtel, an denen man es selbst nicht erwartet hätte. Und da wird’s interessant. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie ich vor ein paar Jahren mal sehnsüchtig schmachtend Fotos von Carsten Maschmeyers Villa auf Mallorca in einem People-Magazin betrachtete und mich gleichzeitig fragte: Hast du noch alle Latten am Zaun? Du bist doch gar nicht der Society-Typ, da willst du doch gar nicht hin, du magst doch deinen Shabby-Großstadt-Altbau-Schick viel lieber? Bis ich dann merkte: Da ist tatsächlich etwas in mir, das sich nach ein bisschen Ruhe und Abgeschiedenheit sehnt. Und nach einem Sommerplatz zum Frühstücken, der größer ist als mein Mini-Stadtbalkon. Kurze Zeit später haben wir uns dann eine Hütte auf einem Campingplatz im Wendland gekauft, die alles hat, worauf ich damals neidisch war. Die Ruhe, die Abgeschiedenheit, die Terrasse und das schätzungsweise zu einem Hundertstel des Preises der Maschmeyer-Mansion. Bonus-Plus: Ich habe dort keine Veronica Ferres als Nachbarin.
Zuhören, wenn das Teufelchen spricht!
Es lohnt sich also durchaus, mal genauer hinzuhören, wenn das Teufelchen spricht. Vor allem, wenn es hartnäckig bleibt. So wie letztes Jahr, als ich gleichzeitig voller Mitfreude und voller Missgunst erlebte, wie der Erstlingsroman einer Bekannten ein Knüller wurde – völlig verdient, aber warum die, warum nicht ich? Auch das hatte Folgen: Ich habe endlich ernstgemacht mit einem Buchprojekt, das schon seit Jahren in der Schublade lag. Weil Jammern ja nichts hilft. Der Termin fürs mein vorläufiges Happy End ist schon in Sicht: Frühjahrsprogramm 2018, in einem großen deutschen Verlag.
Was bei mir das Schreiben ist, Passion und Lebensinhalt, das mag bei anderen Menschen etwas völlig anderes sein: eine Reise, von der man schon lange träumt, ein Berufswechsel, endlich mal den New York-Marathon laufen. Anderes wiederum, an dem Mitmenschen sich abarbeiten, lässt mich völlig kalt: Size-Zero-Körper, klassische „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren“-Karriereschritte, die „wer-hat-den-leckersten“-Kuchenolympiade bei Schulfesten. Sehr entspannend, zu sehen: Es gibt durchaus Bereiche, in denen man ziemlich gut gönnen kann. Weil man diese Felder gerne anderen überlässt.
Nicht jede Wunscherfüllung liegt in unserer Macht
Klar, es gibt auch Wünsche, bei denen es wenig hilfreich ist, wenn der Neid-Kompass anschlägt. Weil sie sich der eigenen Planung weitgehend entziehen. Wie habe ich in meinen diversen Single-Zeiten auch immer mal die – vermeintlich – glücklichen Paare um mich herum beneidet, ohne dass dieses Gefühl mich irgendwo hingebracht hätte als an den eigenen Küchentisch mit einem Glas Rotwein. Da half auch kein Gegurke durchs Nachtleben, da hilft heute zumeist auch kein simpler Tinder-Wisch, ein Glückstreffer in der Liebe ist eine Mischung aus Bereitschaft, Timing und Magie. Auch andere Lebensbereiche – Familie, Freundschaften, Gesundheit vor allem – stehen nur zu einem kleinen Teil in unserer eigenen Macht, und manche Päckchen wiegen einfach schwerer als andere. Aber in vielen Fällen kann der Neid uns eben durchaus zeigen, wo’s für uns lang gehen könnte, ohne Erfolgsgarantie, aber zumindest mal mit einer neuen Idee.
Von daher habe ich mich schon lange mit dem miesen, fiesen Teufelchen in meinem Kopf ausgesöhnt, denn manchmal sind seine Tipps einfach richtig gut. Nur deuten und umsetzen müssen wir sie selber – siehe Wendlandhütte und Nobelvilla. Was höre ich da? Das mit dem Umsetzen können alle anderen besser? Und das ist voll ungerecht? Also, bitte: nur kein Neid!