Die große Bauch-OP liegt schon Monate zurück, als ich zur Reha an die Nordsee aufbreche. Immer noch schmerzt der Bauch bei bestimmten Bewegungen. Radfahren zum Beispiel geht gar nicht, an Yoga ist nicht zu denken und die Verdauung zickt. Der Bauch bläht sich auf wie vor der OP und verträgt gefühlt nur noch Kartoffelbrei und Gemüsesuppen. Zudem zieht es wie schon seit Jahren im Handgelenk. Dass meine Finger ständig anschwellen, daran habe ich mich schon gewöhnt. Als Schreiberin gehört das fast schon zum Beruf. Ich bin gespannt, was die Reha bringt. Drei Wochen sind bewilligt. Am Ende werden es sogar vier. An meinem Lieblingsort in Sankt Peter-Ording.
Zwölf Kilometer langer Strand, immer eine frische Brise und diese schier unendliche Weite: Für mich gibt es kaum einen schöneren Ort. Es ist, als wäre hier mein natürlicher Lebensraum. Das alleine hilft mir schon, wieder auf die Beine zu kommen und endlich bald mal wieder die alte Kraft in mir zu spüren, die mich vor meiner Darmerkrankung immer so zuverlässig angetrieben hat. Da bin ich mir sicher. Jetzt seitdem ich wieder zu Hause in Hamburg bin, weiß ich allerdings: Es ist noch viel mehr, das mir neuen Antrieb gibt.
Katharina, die wunderbare Ärztin, die ständig lacht, und die mit so viel Liebe über ihren Beruf als Kinderkardiologin spricht. Stefan, der Special-Agent, der alles im Blick hat und sich liebevoll darum kümmert, dass es allen in seiner Nähe gut geht. Und auch Sibylle, die sich für eine Wanderung, die ich eigentlich alleine machen wollte, an mich dranhängte. Sie hat diesen wunderschönen Tag im Watt dann zu einem ganz besonderen gemacht. Weil Sibylle mich auf die schönsten Fotomotive aufmerksam gemacht hat und so offen ihre Verletzbarkeit zeigte, die ihr den Alltag jenseits der Nordsee-Reha manchmal so schwer macht.
Nordsee-Reha hinterm Deich: Aquafitness, Massagen und Ernährungsberatung
Cool, dreimal pro Woche steht bei mir Aquafitness auf dem Plan, denn eines meiner Rehaziele ist es, wieder fitter und belastbarer zu werden. Und weil für die OP meine Bauchmuskulatur einmal durchgesäbelt wurde, liebe ich die Bewegung im Wasser. Das habe ich in diesem Jahr schon früh gelernt. Während ich am Land noch arge Probleme sogar mit leichten Übungen habe, fühlte ich mich im Wasser schon relativ früh als sei gar nichts passiert in meiner Mitte. Keine Schmerzen, kein Ziehen. Herrlich. Das motiviert. Genau wie die Lymphdrainagen fürs Handgelenk. Seit Jahren hühnere ich mit Schwellungen und Schmerzen rum, habe auf eigene Rechnung 1200 Euro in einen Osteopathen investiert, der zwar nett, aber für mein Handgelenk nicht hilfreich war und nun schafft es die gute, alte Lymphdrainage mit sanftem Druck, dass meine Finger endlich mal wieder schlank sind.
Nur bei der Ernährungsberatung muss ich schwer schlucken. Mit strengem Blick erklärt mir Frau Wegener, dass von nun an alles anders werden muss. Während die Ärzte in Hamburg komplett unterschiedliche Empfehlungen aussprechen (von “ach, Sie können alles essen” bis “bei Körnern sollten sie ein bisschen aufpassen”), verpasst mir die Fachfrau eine strenge Diät. Keine Körner, vor allem kein Sesam, nichts Blähendes (kein Kohl, keine Zwiebeln, keine Hülsenfrüchte), kein Gluten (tschüss, Weizen!) und keine Laktose. Und dazu: Kauen bis alles nur noch Brei ist. Ich komme mir vor wie ein Kleinkind. Aber: Bei meiner schweren Form der Divertikulitis und der überstandenen Darm-OP will ich auch nichts riskieren. Dann werde ich jetzt eben richtig kompliziert, was das Essen betrifft.
Meine Reha-Buddies: Special Agent und Kinderärztin
Also, mit dir möchte ich auch nicht tauschen! Katharina erfragt blitzschnell den Gesundheitszustand (liegt wohl an ihrem Job als Ärztin) und macht den Schnell-Check. Darm-OP und kompliziertes Essen für den Rest des Lebens findet sie auch doof. Kann ich verstehen. Stefan, Reha-Buddy Nr. zwei spricht zunächst wenig. Als wir ihm seinen Beruf entlocken, macht er erst recht klar: Sorry, keine Auskunft, zumindest gilt das für sehr viele Themen. Auch das liegt an seinem Job. Jahrelang war er so etwas wie der “Super-Bulle”, aber im positiven Sinn! Als Personenschützer von Politikern, Special Officer für Menschen, die ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden, hat er so viel Spannendes erlebt, dass wir nicht müde wurden zu fragen.
Ein paar Leckerlis wirft er uns dann hin. Zum Beispiel wie man lernt, nur mit dem Zeigefinger zu zielen, wie ein Schlag auf den Hals jemanden schachmatt setzen kann. Oh, wir hätten gerne noch so viel mehr gehört! Aber noch eine wichtige Lektion hat er uns beigebracht! Auf den vielen Spaziergängen ging er immer einen winzig kleinen Schritt hinter uns. So ließ er Katharina und mich das Tempo bestimmen, wie es unser körperlicher Zustand gerade erlaubt. Ganz subtil, wie er nun mal ist, zeigte uns unser Special Officer bei der Nordsee-Reha, wie MANN sich richtig gentlemanlike verhalten kann. Und ich bin mir sicher, Katharina und ich werden in Zukunft noch genauer darauf achten, wie der Typ unserer Wahl neben uns läuft. Ob er mit uns, neben uns oder vor uns geht. Und dann werden wir entscheiden, wie gesund diese Beziehung ist.