#metoo – ich auch. Diese zwei Worte, in Englisch, mit einem Hashtag versehen, sind immer und immer wieder im Internet zu lesen. Als ich die ersten Posts befreundeter Amerikanerinnen las, konnte ich das erst nicht einordnen. Wie? Ich auch? Doch dann las ich, was die Aktion bedeutet. Die Idee, die dahinter steckt: Jede Frau, die sexuelle Belästigung oder sexuelle Übergriffe erfahren hat, sollte die zwei Worte posten. Damit sichtbar wird, dass solche Vorfälle keine Ausnahmen sind.
Innerhalb kürzester Zeit waren die zwei Worte fast überall zu lesen. Einige Frauen schrieben nur das. Andere schilderten einiges, was sie erlebt haben. Mich hat die Anzahl der betroffenen Frauen nicht verwundert. Laut einer Studie von 2014 hat in Europa jede zweite Frau körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Wie viele auch verbal belästigt wurden? Viele, sehr viele.
#metoo in Deutschland: Die Opfer werden angegriffen
Im letzten Jahr habe ich darüber geschrieben, wie wichtig es ist, Schweigen zu brechen. Und Verena schrieb über Übergriffe im Kleinen. Mir ist es damals sehr schwer gefallen, auch öffentlich über das eigene Erlebte zu berichten. Das war gar nicht so mutig. Es war vor allem nötig. Das zeigt auch die aktuelle Diskussion. Denn schon wieder werden die Frauen angegriffen, die von Vorfällen berichten. Auch von anderen Frauen. Das macht mich richtig wütend. Denn genau darum sollte es nicht gehen: Ein Leid gegen ein anderes Leid aufwiegen. Nur weil ich selbst etwas erlebt habe, das wirklich ein Straftat war, das bedeutet doch nicht, dass ich nicht verstehen kann, wie unangenehm sich eine Frau fühlt, wenn ihr Vorgesetzter immer wieder Anzüglichkeiten ausspricht. Oder der Nachbar ihr ständig auf die Brust guckt. Das eine ist nicht mit dem anderen zu vergleichen.
Ähnlich sehe ich es auch, wenn sich Männer zu Wort melden, die Opfer sind. Auch das ist wichtig. Und sollte nicht kleingeredet werden. Aber junge Männer werden nicht von ihren Vätern vor dunklen Ecken gewarnt, sitzen im Bus immer vorn beim Fahrer und werden insgesamt sehr viel weniger auf ihre körperlichen Attribute angesprochen. Kaum eine Frau hat nicht schon mal lautstarke Kommentare zu ihrem Äußeren gehört. Manchmal mag das schmeichelhaft sein, manchmal einfach blöd – ob es übergriffig ist, dass sollte die Frau selbst entscheiden. Wichtig ist, dass die Debatte um #metoo sensiblisiert.
Die Diskussion um #metoo in Deutschland – leider noch immer nötig
Es ist wichtig mit #metoo ein Zeichen zu setzen. Denn es ist notwendig, dass Frauen und Männer darüber sprechen, wo die Grenzen verlaufen. Ein zotiger Witz kann im Kollegenkreis lustig sein. Aber er ist es dann nicht mehr, wenn er mit der Absicht zu verletzen erzählt wird. Ein Umdenken kann erst dann stattfinden, wenn andere nicht mehr mitlachen. Laut werden. Wenn jeder weiß, dass ein bestimmter mächtiger Mann seine Position missbraucht, aber keiner etwas sagt, dann sind auch die Schweigenden verantwortlich. So wie im Fall Weinstein. So wie in vielen Fällen.
Ich möchte, dass meine Tochter nicht überlegen muss, ob ihr Rock zu kurz ist. Sie soll sich als schöne junge Frau fühlen dürfen und nicht überlegen, ob sie damit provoziert. Ohne Nachzudenken allein durch Straßen laufen können. Und ich möchte, dass mein Sohn keine Sprüche unter Kerlen zu hören bekommt, dass Frauen doch “Nein” sagen und “Ja” meinen.
Ich will keine Filme mehr sehen, in denen Frauen sich erst zieren und “es” dann doch wollen. Und Männer ständig wollen und können. Die Macker-Sprüche, die derben Zoten. Ich wünschte sehr, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Aber noch hat das Umdenken nicht in allen Köpfen stattgefunden. Noch lange nicht. Und darum finde ich es gut, wenn Opfer ihr Schweigen brechen und mit #metoo zeigen, wie viele Menschen schlimme Erfahrungen machen mussten.
Es sind keine Einzelfälle. Keines der Opfer sollte sich allein fühlen. Und jede und jeder, der sich belästigt oder angegriffen fühlt, sollte sich ernst genommen fühlen. Darum ist die Debatte auch hier in Deutschland bitter nötig. Noch immer. Immer wieder.