In seinem ersten Leben war er Banker, in seinem zweiten buddhistischer Mönch, und heute arbeitet der Inder Rajesh Ramani in einem thailändischen Wellness-Resort als Meditationslehrer und Coach. Er betrachtet Meditation als Lebenshaltung, nicht als trendy Entspannungstechnik. Als Verena ihn auf einem Workshop traf, war sie erstaunt, wie gut seine Tipps in den westlichen Alltag passen – auch ganz ohne Kloster und Askese
1. Vergiss Räucherstäbchen und Sitar-Gesäusel!
„Meditation bedeutet, zu sehen und zu wissen, was in mir und um mich herum passiert“, sagt Rajesh Ramani. Dazu braucht es nicht unbedingt Mantra-Musik, Düfte und Meditationskissen. Auch wenn eine schöne Atmosphäre sicher nicht schadet, um auf dem Achtsamkeits-Modus umzuschalten. Aber: Meditation lässt sich genau so gut beim Busfahren, beim Sitzen im Straßencafé oder morgens im Bett nach dem Aufwachen praktizieren – wenn man Meditation als Lebenshaltung betrachtet und nicht als Technik.
2. Meditation als Lebenshaltung: lass Gedanken vorbeiziehen, statt sie zu bekämpfen
„Auch im Zustand der Wut, des Ärgers, der Aufregung gibt es Frieden“, erklärt Ramani. „Bei der Meditation, ob als Technik oder als generelle Lebenseinstellung, geht es darum, nicht auszuweichen, aber auch nicht auf Konfrontation zu gehen – auch nicht mit den mit Gedanken, die uns beim Ruhigwerden stören.“ Denn auf Befehl den Gedankenstrom abzustellen, gelingt nicht, im Gegenteil: Je mehr wir uns das vornehmen, um so hartnäckiger stören uns mentale Alltagsschnipsel. Besser: In einem entspannten Zustand die eigenen Gedanken einfach vorüberziehen zu lassen wie Passanten im Straßencafé, sie wahrzunehmen, zu beobachten, und dann loszulassen. Möglichst, ohne sie zu werten.
3. Mach dich größer statt auszuweichen
Was für Gedanken gilt, gilt auch für Menschen, sagt Rajesh Ramani: „Es gibt einfach Typen, die einem nicht sympathisch sind, die einem stören. Doch statt den Kontakt mit ihnen zu meiden, sollte man ihnen eher für ihre Existenz danken und sich fragen: Was kann ich mit und an diesem Menschen lernen? Wie kann seine Existenz mich erweitern?“
4. Entdecke deinen inneren Meditations-Meister
„Es gibt diese Tage, da ist der Himmel morgens grau, und wir wachen auf mit einem Partner an unserer Seite, der vielleicht schon mal attraktiver ausgesehen hat – und trotzdem sind wir einverstanden mit der Existenz, eins mit dem Leben“, erklärt Ramani. Vielleicht nicht überglücklich, aber auch nicht voller Ärger und Widerstand. Voilà: Wer diesen Zustand ab und zu im Alltag erlebt, ist bereits mit dem meditativen Zustand vertraut. „Meditation bringt uns an einen Ort, an dem wir uns mit dem Leben wohlfühlen“, sagt der indische Lebens-Coach.
5. Angst akzeptieren
Wir alle wünschen uns innere Ausgeglichenheit und Balance – warum ist dieser Zustand so schwer zu erreichen? „Angst“, sagt Ramani lapidar. „Angst, nicht in Verbindung zu sein mit uns selbst und mit anderen, Angst übersehen zu werden, ein Niemand zu sein.“ Die Folge: „Wir werden hyperaktiv, um vor dieser Angst davonzurennen, und das entfernt uns nur noch mehr von unserer eigenen Mitte.“ Das beste Gegenmittel: die Angst sehen, akzeptieren, und verstehen, dass sie vor allem mit uns selbst zu tun hat, nicht mit der Welt und den Menschen, die uns umgeben.
6. Vergiss die Erleuchtung
Aber ist Meditation – ob als tägliche Morgenübung oder als Lebenshaltung – nicht diesen asketischen Mönchstypen vorbehalten, die allen weltlichen Genüssen entsagen und nichts mehr wollen als den Eintritt ins Nirvana oder jedenfalls die Wiedergeburt auf einer rein geistigen Bewusstseinsstufe? Ganz und gar nicht, sagt Ramani: „Man muss kein durchgeistigter Eremit sein, um zu meditieren. Ziele zu haben, Ehrgeiz zu entwickeln, für einen Job, für ein Projekt, ist völlig in Ordnung. Wichtig ist nur, sich zu fragen: Woher kommt mein Ehrgeiz? Ist er da, weil ich für eine Sache brenne – oder ist er auch wieder eine Folge von Angst und macht mich zu einem gierigen und getriebenen Menschen?“
7. Sei geduldig mit dir
Nun mal Butter bei die Fische: Ich habe mich also in eine entspannte Sitzposition begeben, die Augen geschlossen und bin bereit. Was kann ich als Meditations-Anfängerin tun? Schritt eins: Konzentration auf die Dinge in mir und um mich herum. Also: meinen Atemrhythmus, meinen Körper, die Raumtemperatur, die Geräusche, die von außen an mich herandringen. Schritt zwei bezeichnet Ramani als Expansion: Jetzt soll ich an einen Menschen denken, der mir nahe steht, den ich liebe, an sein Gesicht, sein Lächeln, die Gefühle, die er in mir auslöst. Schritt drei ist dann schon etwas für Fortgeschrittene: Meditation über einen Menschen, den ich nicht mag – bis hin zu Dankbarkeit für die Lektion, die er mir erteilen kann. Das wichtigste bei alldem: nicht die Geduld mit sich selbst verlieren. Ramani: „Wir sollten uns nicht ärgern, wenn wir nicht in der Lage sind, minutenlang im Kopf auf Durchzug zu schalten – sondern uns lieber freuen, wenn wir zwei gelungene Atemzüge lang völlig konzentriert sind auf den Fluss der Luft und nichts anderes.“
Urlaub mit Rajesh Ramani: Der Coach und Meditationslehrer praktiziert im Wellness- und Gesundheitsresort Kamalaya Koh Samui
Zum Workshop in Hamburg eingeladen wurden Verena von der Agentur Angelika Hermann-Meier