Männerkrise über 40: „Ein Luxusproblem – aber ein Problem!“

Sven Stricker ist einer von uns: Jahrgang 1970, Hörspielregisseur, Schriftsteller, Vater einer Tochter. In seinem neuen Roman „Mensch Rüdiger“ lässt er zwei männliche 40-somethings voll in die Krise schlittern – den smarten Berufsjugendlichen Tom ebenso wie den braven Familienvater Rüdiger. Die Geschichte beginnt mit einem missglückten Selbstmordversuch auf einer Brücke und endet in großer Höhe – mehr wird nicht verraten. Ein schlauer Spaß und gleichzeitig eine Studie über das Leben für Fortgeschrittene. Die liest sich mal weise, mal melancholisch, mal schräg, als hätten sich Nick Hornby und Jonas Jonasson („Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg…“) auf ein Bier getroffen. Das hat uns gefallen, auch, weil uns das Thema Männerkrise über 40 interessiert: Haben Männer in dieser Lebensphase eigentlich mit ähnlichen Herausforderungen und Fragen zu tun wie wir, oder ist alles ganz anders? Verena hat mit dem Potsdamer Autor gesprochen.

Männerkrise über 40

Guckt nachdenklich, kann aber auch lustig: Sven Stricker (c) Kim Indra Oehne

40-something: Dein 40. Geburtstag ist ja schon ein Weilchen her – weißt du noch, wie du ihn begangen hast?

Ach, der Vierzigste. Da wurde ich quasi zum Feiern gezwungen, dabei bin ich eigentlich kein Partymensch. Ich hätte mich lieber gedrückt, allerdings nicht, weil das Älterwerden mir Angst machte. Die Vier vorne war zunächst nur eine Zahl für mich, sie hat mir nichts bedeutet. Ich war damals gerade Vater geworden, da gab es andere Themen in meinem Leben als das Älterwerden. Viel einschneidender war die 45.

Musstest du da etwa schon wieder feiern?

Das war’s nicht, aber in dem Alter habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass sich etwas verändert. Zum einen körperlich – man kommt einfach nicht mehr so schnell vom Boden hoch wie mit 35. Aber auch die Sinnfrage stand plötzlich mit Macht im Raum, ich habe mir Fragen aus einer anderen Perspektive gestellt. Zum Beispiel mein Job als Freiberufler, den ich liebe – kann ich damit eigentlich auch alt werden, oder habe ich plötzlich das Bedürfnis nach mehr Sicherheit?

Sehnsucht nach Beamtenlaufbahn statt Kreativ-Alltag?

Das nicht, aber ich habe mit über 40 das Romanschreiben begonnen, als zusätzliches Standbein. Klingt auch nicht nach einer sicheren Tätigkeit, aber erstens hatte ich Lust, nochmal was Neues anzufangen, und zweitens tatsächlich mit dem Gedanken: Das kann ich auch noch machen, bis ich alt bin, so lange ich keine Gicht in den Fingern bekomme und nicht mehr tippen kann. Man wird mit der Erfahrung, mit dem eigenen Erleben, ja auch besser als Autor. Da ist Alter ausnahmsweise mal ein Vorteil.

Und dann hast du aus dem Thema „Männerkrise über 40“ deinen dritten Roman gemacht. Meinst du, Sinnkrisen mit 40plus sind heute ein größeres Thema als früher?

Ich glaube, diese Frage hat sich für unsere Eltern nicht gestellt, weil Lebensläufe berechenbarer waren. Mit 16 ging man in die Lehre, bis 65 arbeitete man bei der selben Firma, und man war dankbar, weil man eine Stelle hatte. Dieser Generation saß ja auch noch die Kriegserfahrung im Nacken, ganz existenzielle Ängste. Unsere Generation dagegen ist aufgewachsen mit dem Anspruch an Selbstverwirklichung, dem Versprechen, alles werden zu können. Da kann es gar nicht ausbleiben, dass man irgendwann mit den eigenen Entscheidungen hadert. Klar, das ist ein Luxusproblem – aber eben trotzdem ein Problem.

Männerkrise über 40: warum Vergleichen unglücklich macht

Und dann starrt man neidisch auf das, was andere in dem Alter erreicht haben – bessere berufliche Positionen, mehr Geld, oder umgekehrt mehr Freiheit…

Das ist der Punkt, es spielt gar keine Rolle, wie man objektiv im Leben aufgestellt ist, was man erreicht hat und was fehlt. Denn jeder ist auf seine Weise im Käfig gefangen, und der Neid hat viel mit Projektionen zu tun. Ich denke, vielen geht es so wie meiner Romanfigur Rüdiger: Der schlittert in die Krise, weil er merkt, dass er nie im Leben wirklich etwas entschieden hat. Sondern einfach dem vorbestimmten, einfachen Weg eingeschlagen hat, mit dem sicheren, aber langweiligen Job, Frau, zwei Kindern.

Soweit gilt das ja für Männer wie für Frauen. Was glaubst du: Gibt es auch speziell männliche und speziell weibliche Krisenthemen?

Ja, zum Beispiel im Bezug auf das Körperliche. Ich höre häufig von Frauen in unserem Alter, dass sie darunter leiden, nicht mehr wahrgenommen zu werden. Plötzlich unsichtbar zu sein – das ist ein Wort, das dann häufig fällt. Etwas, das ich von Männern nicht so höre. Und sicherlich ist für Frauen das Älterwerden auch deutlicher spürbar, wenn der Körper aufhört, fruchtbar zu sein.

Und was beruflichen Erfolg angeht?

Ich denke, das macht für die meisten Männer bis heute einen größeren Teil ihres Selbstbildes aus – sie hadern eher mit sich, wenn sie nicht erreicht haben, was sie sich vorgenommen haben. Aber ich glaube, das wird auch für Frauen zunehmend ein Thema. Zum Beispiel, weil sie in einer wichtigen Lebensphase den Anschluss verloren haben, weil die Familiengründung sie blockiert hat im Job, und sie sich dann mit Anfang, Mitte 40 fragen: Hat sich das Zurückstecken gelohnt?

Der beste Weg aus der Misere: sich selbst akzeptieren

Wenn einen also die Sinnkrise packt – wie kommt man da wieder raus? Helfen neue Ziele, neue Pläne?

Ich glaube, der erste Schritt ist ein anderer: sich selbst und das eigene Leben akzeptieren und annehmen, ohne es zu bewerten. Sagen: Hier hat es mich hingeführt, so bin ich, das ist meine aktuelle Position. Aus dieser Position heraus, aus diesem festen Stand, kann man Veränderungen viel besser anschieben als aus einer Position des Haderns, der Unzufriedenheit. Und auch, wenn wir uns bewusst machen: Das Leben kann fürchterlich sein und beklemmend, aber allein dass wir es haben, dass wir es leben dürfen, auch wenn damit unangenehme Gefühle verbunden sind, das ist ein Grund, dankbar zu sein.

Deine beiden Romanhelden versuchen es mit einer Art Bucket List: Sie wollen mehr Risiko eingehen, mehr Liebe erleben…

Aber ist dir aufgefallen, dass die Liste im Lauf der Handlung irgendwann gar keine Rolle mehr spielt? Man kann nicht einfach Punkt für Punkt im Leben abhaken und ist dann auf Knopfdruck glücklicher. Nicht, ohne sich vorher als der zu akzeptieren, der man ist.

Also keine Angst vor dem Fünfzigsten?

Nee, das ist auch nur wieder eine Zahl, ein Label, das macht mir keine Angst. Wenn überhaupt, mache ich mir Sorgen um körperliche Gebrechen, um Verschleiß, das bleibt ja nicht aus. Feiern muss ich wohl trotzdem – mein Umfeld lässt mich nicht vom Haken!

Männerkrise über 40

So sieht’s aus: Den neuen Roman von Sven Stricker gibts als Taschenbuch und im e-Book für 9,99 €  (c) Rowohlt Verlag

 

 

 

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