Wenn Tanja Wilking lacht, dann ist ein lautes Lachen zu hören, das tief aus dem Bauch kommt. Meist aber ist die 45-Jährige sehr ruhig. Das gehört zu ihrem Beruf. Ohne sich zu regen, sitzt und steht sie nackt vor einer Gruppe Menschen. Bis zu zehn Stunden lang, oft abends und das bis zu 30 Stunden in der Woche. Tanja ist professionelles Aktmodell.
Sie studierte Jura in Passau, als eine Kunstpädagogin sie ansprach. Mich vor Fremden nackt zeigen? Spinnt die? Das war ihre erste Reaktion. Aber Tanja war schon immer neugierig. Als Schülerin war sie ein Jahr in den USA, sie wuchs im niedersächsischen Sulingen auf und zog zum Studium nach Bayern. Kein Wunder, dass die Neugier gewann. Die können mir ja nichts weggucken, sagte sie sich. Und zog sich vor den Kunststudenten aus.
Tanja stellte fest, dass ihr das stille Posen Spaß macht. Und dass sie wirklich stundenlang ruhig sein kann. „Das war für mich eine Herausforderung. Mich auf mich zu fokussieren, die anderen auszublenden. Das ist etwas sehr Meditatives.” Die Kunststudenten mögen das Modell Tanja, ihre Nummer wird weitergeben. Ihr Studium beendet sie nach dem ersten Staatsexamen, dann volontiert Tanja als Videojournalistin, produziert Beiträge für einen lokalen Fernsehsender und arbeitet als Regieassistentin am Theater in Landshut. „Aber immer wenn es möglich war, habe ich Modell gestanden.“
Haupberuflich Aktmodell: das bedeutet mehr nackt, als angezogen zu sein
Tanja sitzt für einzelne Künstler, bekommt Aufträge von Kunsthochschulen. Haupberuflich Aktmodell, ist sie seit 2006. Als einzige in Deutschland. Tanja arbeitet bundesweit und auch im Ausland. Für unterschiedliche Künstler, Bildhauer, Fotografen, für die Kunsthochschule und für die Volkshochschule. „Ich musste schon aktiv etwas aufbauen, aber ich weiß auch, dass ich ein gutes Modell bin, weil ich aussehe, wie ich aussehe. Damit meine ich jetzt nicht so das gängige Schönheitsideal.“
Als junge Frau fand sie sich nicht unbedingt schön, den Busen nicht üppig genug, sich selbst eher zu klein. „Dass ich mal nackt vor hunderten von Leuten stehe, hätte ich nicht geglaubt.“ Heute sagt sie: „Ich finde, ich habe mich für meine Mitte vierzig gut gehalten. Ich mag meine lange blonden Haare. Durch meinen Beruf hat sich auch ganz klar meine Körperhaltung geändert, auch mein Gang. Meine Körperwahrnehmung ist schon sehr intensiv.“
Tanjas Künstlername ist „Rodinmuse“. Sie legt Wert darauf, dass ihr Beruf mehr ist, als sich nur auszuziehen: „Ich werde weniger für das Nacktsein bezahlt, sondern dafür, dass ich Künstler inspirieren kann, dass ich kreative Positionen entwickle und Variationsmöglichkeiten.“ Sicher würden Modelle bevorzugt, die zudem Zuverlässigkeit und eine positive innere Grundhaltung bieten. „Ich brauche das Aktstehen, um zur Ruhe zu kommen. Ich mache dabei verschiedene Konzentrationsübungen. Manchmal schaffe ich es wirklich an gar nichts zu denken, oft spüre ich auch einen Energiefluss zwischen mir und den Künstlern, ich gebe ihnen etwas und bekomme etwas zurück.“
Wie fühlt sie sich, wenn sie da so nackt sitzt, ist ihr nicht kalt? Tanja lacht. „Die Frage wird mir oft gestellt. Nein, es gibt ja Heizungen und auch Wärmelampen. Wenn es zu kalt ist, zieht sie sich nicht aus. “Ich bin ja oft mehr nackt als angezogen, natürlich muss ich mich körperlich wohl fühlen.“ Praktisch findet sie, dass der Beruf ihr bester Spiegel ist. „Wenn ich Zeichnungen von mir sehe, denke ich manchmal schon, dass ich vielleicht doch mal auf Schoko oder Wein verzichten sollte.“
Distanz ist Tanja wichtig. „Wenn jemand mich einfach berührt, weil sich eine andere Körperhaltung wünscht, dann verbitte ich mir das. Ich muss aber sagen, dass ich in 22 Jahren kein unmoralisches Angebot bekommen habe.“ Es gab Anfragen, die sie ablehnt. „Eine Tanzperfomance auf sehr kleinen Raum mit Körperkontakt, das war mir zu eng.“ Selbstbewusstsein im eigentlichen Sinne ist für ihre Arbeit entscheidend, betont sie.
Ihr Ziel: Tanja möchte das erste promovierte Aktmodell werden
Privatleben und Job kann sie trennen. „Ich bin eigentlich eher zurückhaltend. „Wenn der Briefträger klingelt und ich habe nur einen BH an, ist mir das auch peinlich. Das ist etwas anderes.“ Das Aktmodell Tanja trägt die Haare hochgesteckt, die private Tanja trägt ihr Haar offen. Gemeinsam mit ihrem 39-jährigen Mann Jochen wohnt sie in einer hellen Wohnung im Münchener Stadtteil Neuhausen. „Im Beruf habe ich genug Menschen um mich herum, privat mag ich es auch, einfach mal gar nichts zu machen.“ Doch dazu kommt sie selten. Gemeinsam mit Jochen reist sie gern, oft bis fünf bis sechs Mal im Jahr. Im Sommer hat Tanja meist weniger Aufträge. „Dann merke ich, wie ich unruhig werde, ich brauche dann lange Spaziergänge, weil mir die innere Stille des Aktstehens fehlt.“
Tanja schreibt gern, bastelt Figuren aus Fimo. “Kleine grüne Kampfgnome, das passt zu mir.” Vor allem aber nutzt sie freie Zeit, um zu lernen. „Mit 50 möchte ich Dr. Akt sein, ich will bis dahin meine Dissertation schreiben und mich promoviertes Aktmodell nennen“, sagt sie und grinst. Seit drei Jahren studiert sie Kulturwissenschaften mit dem Fachschwerpunkt Philosophie an der Fernuni Hagen. „Ich mag unheimlich gern wissenschaftlich arbeiten, das Organisatorische und die Selbstdisziplin, die ich mir im Job erarbeitet habe, kann ich da gut gebrauchen.“
Das Alter? Für Tanja kein Problem: „Ich kann mir rausnehmen auch rotzig zu sein, weil ich Lebenserfahrung habe, auch wenn man es mir nicht sofort ansieht.“ Ihre Erfahrung mache es leichter, Respekt zu bekommen und auch die beruflichen Zukunftsperspektiven sind gut. „Frauenkörper werden ja immer interessanter. Ich bekomme heute mehr Aufträge als früher. Ich kenne eine wunderbare Kollegin, die ist 70 Jahre alt. Wenn der Beruf mir dann noch Spaß macht, kann ich also noch locker Künstler inspirieren, bis ich 80 bin,“ sagt Tanja und lacht laut.
Ich würde mich gerne als Aktmodell zur Verfügung stellen aber nur in Hagen, bitte um Antwort.
lieben Gruß Maggie
Liebe Maggie,
ich fürchte, da können wir dir nicht wirklich weiterhelfen. Vielleicht kannst du bei der örtlichen VHS oder einer Kunstakademie anfragen?
Herzlichst,
Silke