An einem Tag im Jahr werden große Kinder plötzlich ganz klein. Der heißt Weihnachten. An einem anderen Tag werden kleine Kinder plötzlich ziemlich groß. Der heißt Halloween, und er ist wie eine Messlatte, an der man jedes Jahr ein Strichlein macht: Kinder, was seid ihr gewachsen! Für uns ist das jedenfalls jedes Jahr ein wunderbarer Anlass für eine Eltern-Kinder-Party. Tiefenentspannt und zwanglos. Und damit das absolute Gegenteil von Weihnachten.
Halloweenparty 2016 – mal sehen, ob die Papas wieder verloren gehen
Meine Tochter und mein Sohn waren schon immer Halloween-Fans. Kein Wunder, bei der Kombi aus Verkleidung, Abenteuer und Überdosis Zucker. Ich gestehe, ich habe es jahrelang nicht leiden können. Und war mir mit den Halloween-Hassern in meinem Bekanntenkreis absolut einig. Der Konsumterror! Die Klaustrophobie in Mietshäusern am Spätnachmittag des 31. Oktober! Als ich selbst noch keine Kinder hatte, habe ich regelmäßig geflucht, weil ich immer vergessen habe, etwas angemessen Ungesundes für die Sammler zu besorgen, und musste dann am nächsten Morgen Zahnpasta oder Rasierschaum von meiner Türklinke wischen. Zur ausgleichenden Gerechtigkeit stand ich dann Jahre später selbst mit zwei kleinen Knöpfen und ihren 20 besten Freunden in zugigen Hausfluren herum. Beim Süßigkeitensammeln mit Kita-Kindern war’s immer voll wie bei einer Wohnungsbesichtigung im Trendviertel. Da drängelten und schubsten aufgeregte Dreijährige in solchen Massen durch die Treppenhäuser, dass die Bewohner entweder gar nicht erst aufmachten oder ihre Bonbons einfach auf Hüfthöhe in die Menge warfen wie beim Kölner Karneval. Aus Notwehr. Schon ehe die Kinder den Mund aufmachen konnten, um „Süßes oder Saures!“ zu fordern. Wir Eltern standen in der zweiten Reihe und brüllten höflich: „Danke, danke!“ Dabei fühlten wir uns wie von allen guten Geistern verlassen.
Aber dann fand ich von Jahr zu Jahr mehr Spaß an der Sache. Je mehr unsere Kinder und ihre Freunde sie zu ihrem eigenen Ding machten. Inklusive selbst gemachter Pappmachéköpfen, die man unter dem Arm trägt. Wir blieben Jahr zu Jahr weiter außen vor: erst vor der Tür, dann an der Straßenecke, und mittlerweile essen wir zu Hause Kürbissuppe und drehen die Musik auf, während die Kinder allein um die Häuser ziehen. Letztes Jahr fand noch eine Gruppe von Vätern, sie müssten unsere 10-jährigen Töchter bewachen. Unauffällig aus der Ferne. Auf dem Weg versackten sie in einer Kneipe. Als die sieben Vampirschwestern längst wieder da waren, wankten die Dracula-Dads durch die Haustür und riefen durchs Treppenhaus „Wosssindndiemädls?“ An Halloween bleibt der Helikopter in der Garage. Gut so.
Weniger Tradition, mehr Spaß: Warum ich Halloweenpartys liebe
Halloween hat bei uns in Deutschland keine Tradition, sagen Gegner gerne. Das stimmt. Wie befreiend! Keine Diskussionen über das Menü (Gänsebraten versus Würstchen mit Kartoffelsalat), die Baum-Deko, den Dresscode. Jeder kann, wie er will: XL-Variante mit geschnitzten Kürbissen und Skelett-Lichterkette oder XS-Party mit improvisierten Kostümen und Schminke aus Mamas Sammlung. Dieses Jahr hat das Costumizing einen neuen Höhepunkt erreicht: Während ich das hier schreibe, wird gerade ein Holzschwert vom Mittelaltermarkt mit Hilfe eines dicken schwarzen Eddings in ein eine Herr-der-Ringe-mäßige Nazgul-Waffe verwandelt. Und ein fluffiges weißes Sommeroberteil aus meinem Schrank, das mir noch nie besonders stand, in das Minikleid eines weiblichen Geisterzwillings.
Ich freu mich jedenfalls auf unsere Halloweenparty 2016. Denn es dauert ja nicht mehr lang, bis sich wieder weihnachtliche Klebrigkeit wie Zuckerguss über die Welt legt. Und die ist auch nicht immer schön. Sondern manchmal ziemlich gruselig.