Liebe Münchner und München-Liebhaber: Ihr müsst jetzt sehr tapfer sein. Jahrzehntelang habt ihr geglaubt und behauptet, eure Stadt wäre der nördlichste Außenposten Italiens. Da ist was dran, ich habe ja auch mal zehn Jahre an der Isar gelebt, und das Monaco-Dolce-Vita genossen. Auch andere süddeutsche Städte spielen ja gerne mal ein bisschen Italien: Regensburg, Bamberg, Freiburg. Aber seit zwei Wochen weiß ich: Da gibt es noch eine, die euch zumindest hart auf den Fersen ist, auch wenn sie ein ganzes Stück nördlicher liegt. Und zwar Erfurt. Sí, vero! Und zwar nicht nur, weil die Krämerbrücke mit ihren Geschäften so an die Florenzer Ponte Vecchio erinnert. Auch, weil die Landeshauptstadt Thüringens mit ihrer prächtigen Renaissancearchitektur und ihren lauschigen Plätzen die ideale Größe hat für ein verbummeltes, verträumtes Wochenende. Um hinzukommen, muss man sich nicht erst über den Brenner quälen oder ein Flugzeug besteigen. Vier, fünf Stunden Zugfahrt von München und Hamburg, zwei, drei Stunden von Berlin. Sehenswürdigkeiten abgrasen? Ach was: einfach treiben lassen – der mittelalterliche Kern rund um das Flüsschen Gera ist so übersichtlich, da kommt man fast von selbst überall vorbei. Der Dom? Na schön, imposant, aber mindestens genau so sehenswert sind diese hier:
Krämerbrücke: gilt als die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas, ist aber vor allem eine die schönsten Bummelmeilen der Alpennordseite. Weinbars, Trödel-, Spielzeug- und Kunsthandwerksläden – hier lässt sich auch gut der ganze Nachmittag vertändeln. Wer’s eilig hat, sollte zumindest hier einen Blick riskieren:
Schokoladenmanufaktur „Goldhelm“: Süße (und pikante) Schoko- und Pralinenkreationen in nicht minder süßen Verpackungen. Sollte es zu heiß sein für die handgemachten Köstlichkeiten, dann gibt’s im zugehörigen Eissalon „Eiskrämer“ nebenan einen auf die Waffel. Nicht etwa nur Schoko oder Stracciatella, auch exotische Mischungen mit Lavendel aus der Provence oder Ziegenkäse.
Alte Synagoge: Vor fast 20 Jahren stieß ein Baggerfahrer beim Renovierungsarbeiten auf einen sensationellen Schatz: Goldmünzen, filigranen Schmuck, Gürtelschnallen, Trinkbecher und ein traditioneller jüdischer Hochzeitsring. Ein reicher jüdischer Kaufmann hatte in der Zeit der mittelalterlichen Pestpogrome dort sein Vermögen versteckt. Heute ist der einzigartige Schatz im Keller der Alten Synagoge zu besichtigen, außerdem religiöse Gegenstände, Thorarollen und mittelalterliche jüdische Grabsteine. Empfehlenswert: die Führung mit Audioguide.
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Andreasviertel: bilderbuchhübsches Viertel im nördlichen Teil der Altstadt mit prächtigen mittelalterlichen Gebäuden und Renaissancefassaden. In den Grünanlagen zwischen den Flussarmen der „Wilden Gera“ wird gepicknickt, manchmal fidelt in den Auen eine irische Band – Mittelerde meets Thüringen.
Ausflug nach Weimar: Der Regionalzug verkehrt im S-Bahn-Takt und braucht weniger als eine halbe Stunde in die Goethe- und Schiller-Stadt. Die ist noch kleiner und übersichtlicher als Erfurt, aber nicht minder sehenswert: kein Wunder, dass die deutschen Großdichter sich auf den Wiesen der Ilm und in den romantischen Gassen der Residenzstadt von der Muse küssen ließen (und von allerlei Frauen sicher auch).
Gut essen: Klar gibt’s in Erfurt auch Rostbratwurst und Klöße, wir sind schließlich in Thüringen. Aber nicht nur: Mathilda ist ein lässiges Bistro mit mediterraner Küche – und ein Grund mehr, warum sich Erfurt so italienisch anfühlt.
Schlafen: Das neu eröffnete Hotel am Kaisersaal bietet 4-Sterne-Ambiente zum 3-Sterne-Preis: schicke und großzügige Zimmer, hervorragendes Frühstücksbüffet, coole Lobby-Lounge, und das alles direkt um die Ecke von der Krämerbrücke. Günstige Angebote z.B. über www.booking.com
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