Esther allein unterwegs. Das passiert mir immer wieder. Früher mit dem Lonely Planet unterm Arm in Asien und gerade jetzt erst beim letzten Urlaub in Florida. Ursprünglich wollte ich mit Freunden gemeinsam für zwei Wochen nach Annamaria Island – wir alle zusammen die ganze Zeit. Das Haus war gebucht, die Flüge leider nicht so ganz zuverlässig, weil wir mit einem speziellen Mitarbeitertarif der Lufthansa abheben wollten. Ums kurz zu machen: Mein Flug platzte eine knappe Woche vorher. Geflogen bin ich dennoch. Allerdings später. Da ich aber nicht nur für knappe zehn Tage den langen Flug auf mich nehmen wollte, verlängerte ich kurzerhand. Dann bin ich eben mal wieder ein paar Tage alleine auf Reisen. Das gute alte Backpacker-Feeling ergriff mich erneut.
Durch die Planänderungen landete ich nicht wie meine Freunde in Tampa, sondern in Miami. Allerdings war ich nicht allein. Eine Freundin und Kollegin hatte, nachdem ich ihr Fotos von der Insel am Golf von Mexico zeigte, auch gebucht. Deshalb konnte ich mit ihr das Motelzimmer für die erste Nacht teilen und bekam noch einen Lift zur Insel. Dann war erst mal Gruppe angesagt. Bei meinen Freunden hatte ich ein wunderschönes Zimmer und mit noch ein paar anderen Menschen, die wir mehr oder weniger kannten, verbrachten wir zehn entspannte Tage. Zeit genug, mir zwischendrin ein Zimmer und einen Mietwagen zu organisieren.
Alleine reisen ab 40: Nie war es leichter, das zu organisieren
Wie entspannt das alles war: Früher klapperte ich mit dem Lonely Planet die vorgeschlagenen Hotels ab, heute muss ich nur Tripadvisor oder Booking.com im Handy checken! Die Frage nach dem Motel beantwortete sich von selbst. Mit 125 Dollar pro Nacht, so viel kostete das günstigste, musste ich gar nicht erst nach anderen Ausschau halten. Die Preise liegen bei mindestens 190 Dollar für ziemlich abgerockte Hütten auf dieser kleinen, feinen und sehr teueren Insel. Beim Auto lief es ähnlich. Nur einer der großen Anbieter hatte eine Filiale in Bradenton, der nächst größeren Stadt.
Der Lonely Planet ist nicht mehr das, was er mal war
Auch wenn ich die wichtigen Dinge jetzt übers Handy regeln kann, hielt ich noch an der guten alten Tradion fest, mir den Lonely Planet mitzunehmen. Früher erschien er nur auf Englisch. Er begleitete mich nach Malaysia, Australien, Sri Lanke, Indien, auf die Philippinen und in die Karibik. Der Reiseführer war der verlässlichste Begleiter, egal, wo ich war, wie ich weiterkommen musste oder wo ich wohnen wollte. Das Ergebnis dieses Mal: keine einzige Angabe, wo man auf Annamaria wohnen sollte. Und als wir zum Crystal River wollten, um die dicken, gemütlichen Manatees (Seekühe) zu bestaunen, lotste er uns in die Einöde. Fast hätten wir das Schnorcheln mit den großen Grasfressern verpasst. Schon in Indien und Sri Lanka fielen mir Ungenauigkeiten auf. Aber die Florida-Ausgabe hat alles getoppt. Daumen runter für meinen früheren Reisefreund. Unsere Beziehung ist beendet.
Alleine reisen ab 40: Die Abende werden ruhiger
Nach zehn Tagen war es dann soweit. Ich saß in meinem Motel und grübelte. Was mache ich denn jetzt? Hm. In den Zwanzigern war das tatsächlich anders. Da verbrachte ich kaum einen Abend allein. Diesmal schon. Schlimm fand ich das nicht. Denn in den letzten zwanzig Jahren gewöhnte ich mir Sonnenaufgangsspaziergänge an. In Florida hätten das sogar Nachteulen geschafft. Hier erhob sich die Sonne erst um zwanzig vor acht. Ein Käffchen vorher und dann an den Strand oder zum Coquina Baywalk. Herrlich.
Manches ändert sich aber auch überhaupt nicht
Alleine reisen ab 40 – für die letzten Tage nahm ich mir eines vor: Das Fischerdorf Cortez auf der gegenüberliegenden Festlandseite anzuschauen und viel mit Amis zu quatschen. Denn nach der Schule lebte ich für ein Jahr in Boston und wollte danach eigentlich immer in die Staaten auswandern. Irgendwie zwischen Asien, Afrika und Mittelamerika verlor sich die große alte Liebe in der Vergessenheit. Kaum landete ich in Miami, pochte mein Herz wieder. Sie war wieder da. Also sprach ich jeden an, der meinen Weg kreuzte.
Alleine reisen ab 40: Die beste Zeit für neue Begegnungen und Geschichten
Einer davon war Bruce, der den Laden Annie’s Bait & Tackle besitzt. Der Typ sah einfach aus, als hätte er schon eine Menge erlebt. Und sein Laden eben auch: Eine kuriose Mischung aus Bootstankstelle, Fischköderverkauf im großen Stil und Fischburgerbude. Seit fünfzig Jahren hat sich in diesem Laden nichts verändert. Bruce verkauft hier Fischköder seit Ende der Achziger, Anfang der Neunziger. Zu der Zeit lebte ich in Boston. Also saß ich bei Bruce, futterte meinen Burger und lauschte. Wir redeten über die Wahl zwischen Trump und Clinton, über Waffen, die hier in Florida scheinbar jeder besitzt und wie es ist, wenn nach einer erfolgreichen Zeit, die andere, knappe folgt. Deswegen entschied er sich schließlich auch, das Fischködergeschäft mit seinen Burgern zu erweitern und so neue Gäste ins Haus zu bringen. So wie auf Bruce traf ich noch auf Frank Jones, einen Ex-Olympia-Bob-Fahrer, der eine Zeit in Deutschland war und meinetwegen die deutsche Fahne für die gemeinsame Fahrt an seinem Schiff anbrachte. Neue Geschichten und spannende Menschen begegnen mir immer, wenn ich ohne Reisebuddy unterwegs bin. Das sind die Momente, die das Alleinereisen auch ab 40 so wertvoll machen.
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