Brigitte Hieronimus aus Borken (Westfalen) hat in ihrer Beratungspraxis fast täglich mit 40-something-Frauen zu tun: In den Gesprächen geht es um die körperlichen, vor allem aber um die seelischen Herausforderungen rund um die Menopause. Das wollten wir genauer wissen: Was machen die hormonellen Veränderungen mit uns, was hilft bei Stimmungsschwankungen – und was ist eigentlich mit dem Sex?
40-something: Ihre Tätigkeitsbezeichung ist nicht alltäglich: Sie arbeiten als Wechseljahre-Beraterin. Wie kommt man denn zu diesem Beruf?
Brigitte Hieronimus: Das hat mit meiner persönlichen Geschichte zu tun. Ich kam schon mit 46 in die Menopause …
… also in die Wechseljahre …
Sehen Sie, da fängt das Missverständnis schon an. Als Menopause bezeichnet man den Zeitpunkt, zu dem eine Frau ein Jahr lang durchgehend keine Regelblutung mehr gehabt hat. Die Wechseljahre dauern viel länger, denn die hormonelle Umstellung beginnt etwa fünf bis sieben Jahre zuvor, und dauert auch nach Ausbleiben der Blutung nochmal genau so lange an. Aber Ihre Frage überrascht mich nicht, wir wissen tatsächlich zu wenig über die Vorgänge in unserem Körper und ihre Auswirkungen auf seelische und psychische Gesundheit.
Und das hat Sie dann angetrieben, sich zu informieren und anderen Ihr Wissen weiterzugeben?
Ich habe zunächst aus persönlichem Interesse Seminare besucht und mich schließlich für eine Weiterbildung entschlossen, denn ursprünglich komme ich aus dem sozialpädagogischen Bereich. Das ist jetzt etwa 20 Jahre her.
Wer sind Ihre Klientinnen, wer sucht Ihre Beratung?
Häufig sind das Frauen, die einen Vortrag von mir gehört haben und besser verstehen wollen, was in dieser Zeit mit ihnen passiert, auf allen Ebenen. Oft sind sie überrascht, wenn sie verstehen, dass die Wechseljahre gar nicht die einzige große hormonelle Umstellung im Leben einer Frau sind: zum ersten Mal passiert das in der Pubertät, später im Leben vieler Frauen, wenn sie schwanger werden.
Herausforderung Wechseljahre: mehr Kilos, weniger Haare, innere Unruhe
Ähnlich wie in der Pubertät sind körperliche Veränderungen in den Wechseljahren oft sichtbar: Frauen haben Gewichtsprobleme, klagen über trockene Haut, Pickel oder Haarausfall.
Ja, das sind typische äußere Anzeichen. Vor allem die Gewichtszunahme beschäftigt viele Frauen sehr – meiner Ansicht nach zu sehr. Denn man kann davon ausgehen, dass es sich dabei um einen natürlichen Schutzmechanismus handelt: Frauen in dem Alter brauchen ein paar Kilo mehr, um gesund zu bleiben! Erst mit 70 ändert sich der Stoffwechsel wieder, dann beginnt biologisch eine neue Phase.
Wahrscheinlich ist der große Unterschied zur Pubertät der: Während bei jungen Mädchen die Zeichen auf Zukunft, auf Erwachsenwerden stehen und mit dem Versprechen von kommender Lust und Liebe einhergehen, empfinden Frauen die Wechseljahre eher als Abstieg: jetzt wirst du alt, unfruchtbar, unattraktiv …
Ja, dieses Gefühl: Jetzt bin ich nicht mehr schön, jetzt werde ich nicht mehr gesehen, das ist sehr verbreitet. Viele Frauen arbeiten sich deshalb so sehr an den paar Kilo mehr an Po und Hüften ab, weil sie es schwer ertragen, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, sich Fragen stellen zu müssen: Wer bin ich eigentlich? Was macht mich aus, jenseits von Attraktivität und meiner Rolle als Partnerin, als Mutter?
Für manche Frauen ist das Eintreten der Wechseljahre auch ein endgültiger Abschied von einem Kinderwunsch – anders als bei Männern im vergleichbaren Alter ist damit biologisch einfach Schluss.
Ja, und viele merken erst jetzt, dass eine tiefe Enttäuschung in ihnen sitzt. Dass sie sich der Trauer und dem Abschiedsprozess stellen müssen. Unerfüllte Wünsche gehören zum menschlichen Leben, man kann sie akzeptieren und integrieren lernen – schwierig wird es eher, wenn Frauen sie sich nicht eingestehen und abwehren. Das setzt Seele und Körper unter Stress, das kann krank machen. Es hilft stattdessen, sich zu fragen: Wo kann ich auf geistiger Ebene fruchtbar sein, was kann ich schaffen und geben? Übrigens gilt das nicht nur für Frauen ohne Kinder, auch für Mütter. Wenn die Fürsorge für andere nicht mehr so gefragt ist, beginnt im besten Fall die Zeit der Selbstfürsorge: Ich habe mich lang genug um andere gekümmert, jetzt bin ich dran!
Wechseljahre sind also nicht nur körperlich, auch psychisch herausfordernd?
Nicht allen Frauen bereitet diese Phase Probleme, manche fühlen sich aufgehoben in einem stabilen, liebevollen Umfeld. Aber viele neigen auch zu Stimmungsschwankungen, zu anscheinend grundloser Melancholie. Fragt man sie: Was stimmt denn nicht in deinem Leben?, dann finden sie jedoch meistens sofort eine Antwort. Das kann die Partnerschaft sein, die lieblos vor sich hindümpelt, das kann ein inneres Vakuum sein nach der Familienphase, wenn Kinder eigener Wege gehen und Aufgaben fehlen, die einen begeistern. Oder Überforderung, wenn zum Beispiel eigene Kinder noch kleiner sind und die eigenen Eltern schon Hilfe im Alltag brauchen. Es geht in diesem Moment noch gar nicht darum, die perfekte Lösung für sich zu finden, sondern Bilanz zu ziehen: Was ist es, das mich gerade herunterzieht und hemmt? Die Jahre zwischen Anfang und Ende 40 sind die Zeit, in der alles auf dem Prüfstand steht. Man wird gleichzeitig reizbarer und offener für neues.
Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt: neue Impulse besser nutzen
Woran liegt das?
Das hat unter anderem ganz handfeste hormonelle Gründe: Der Östrogenspiegel sinkt, dadurch wird das körpereigene Testosteron stärker spürbar. Das heißt: Das Hormon, das uns weich, harmonisch, anlehnungsbedürftig macht wird weniger, das Hormon, das uns durchsetzungsstärker, kampfeslustiger, sozusagen männlicher macht, übernimmt eher das Ruder. Das kann eine große Chance sein, eine Steilvorlage für das Leben: Nimm Dinge in Angriff, befreie dich von Ballast, erfinde dich neu! Auch die typischen Hitzewallungen sind ja ein Zeichen dafür: Da ist eine neue Energie in dir, mach was draus. Stattdessen wird dieser Wandel in der Persönlichkeit Frauen häufig zum Vorwurf gemacht: Jetzt sei doch nicht so zickig und anstrengend.
Ist es heute vielleicht sogar schwieriger und kränkender, in die Wechseljahre zu kommen, weil wir insgesamt gesünder und körperbewusster sind als die Generation unserer Mütter? Und plötzlich damit konfrontiert werden, dass unser Körper Zeichen von Alter zeigt, auch wenn wir noch so viel Sport machen oder uns noch so gesund ernähren?
Ja, da ist was dran. Daran hat die Psyche auf jeden Fall zu knacken, auch an der Vorstellung, dass jetzt Jüngere dran sind, das Ruder übernehmen. Es kann sich in der Tat kränkend anfühlen, wenn man selbst am Ende der reproduktiven Phase angekommen ist, während eigene Töchter gerade hineinkommen. Aus meiner Erfahrung an einer Beratungsstelle weiß ich übrigens: Viele Frauen haben in dieser Lebensphase einen Liebhaber. Jenseits moralischer Urteile kann ich gut nachvollziehen, dass Frauen sich in dieser Zeit nach Bestätigung sehnen.
Wie ändert sich denn die Sexualität in den Wechseljahren?
Auch das ist ganz unterschiedlich, denn letztlich ist das ein Spiegel der jeweiligen Persönlichkeit. Frauen, für die das Thema immer eher schwierig und schambehaftet war, neigen dazu, das Thema jetzt ganz auf die Seite zu schieben – da sind die körperlichen Veränderungen ein willkommener Vorwand vor sich selbst und dem Partner. Wer dagegen immer gern Sex hatte, ob für sich allein oder zu zweit, für den ist der Lust-Verlust meist nur vorübergehend, einfach, weil der Körper gerade andere Themen hat – so wie in der ersten Zeit nach einer Entbindung.
Was hilft denn ihrer Erfahrung nach ganz pragmatisch gegen Wechseljahrsbeschwerden, körperlich wie seelisch? Haben Sie einen Tipp?
Ich bin keine Ärztin, deshalb halte ich mich mit Tipps zurück. Aber meine Erfahrung ist: die meisten Frauen habe ihre Entscheidung schon getroffen, sie wollen nur abklopfen, ob ich ihnen zustimme. Ob eine Frau sich eher für Hormonpräparate oder für Homöopathie entscheidet, für Lauftraining oder Yoga, ist eine Frage der Lebenseinstellung, der inneren Präferenzen. Ich möchte in der Beratung lieber das eigene Denken anregen, die Frage stellen: Was glauben Sie denn, das Ihnen gut tut? Allheilmittel gibt es ohnehin nicht.
Mehr Info über die Beraterin und ihre Arbeit: www.brigitte-hieronimus.de
Meine Tochter ist 45Jahre alt und ich vor ein paar Tagen 70Jahre alt geworden. Wir hatten bis zum März diesen Jahres ein inniges Verhältnis, das mit dem Tod meines Ex-Mannes durch die Trauerfeier eskaliert ist. Nur zur Info: wir alle hatten – trotz der Trennung – immer ein gutes und faires Verhältnis zueinander.
Meine Tochter geht zwar seit über einem Jahr in die Therapie, doch habe ich den Eindruck, dass sie nach wie vor massive Probleme hat.
Sie wohnt in Norddeutschland und ich in Franken.
Ich habe letzten Mittwoch Ihren Vortrag in Ansbach gehört und möchte gern Ihr neuestes Buch ” Mut zum Lebenswandel ” kaufen und lesen. Ich hatte den Eindruck, dass ich aus dem Inhalt Ihres Buches eine Idee für mich umsetzen kann, wie ich mit meiner Tochter wieder ins Gespräch kommen kann. Zur Zt. kann ich nur geduldig warten.
Ich selbst bin seit 50Jahren Physiotherapeutin und durfte vielen Menschen helfen.Jetzt bin ich ein wenig ratlos.Vielleicht haben Sie einen Tipp? Für eine Rückmeldung danke ich Ihnen recht herzlich und wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit alles Gute
Brigitte Plücker
Die Hitzewallungen resultieren aus dem ansteigenden und schwankenden FSH, das ein Steuerhormon ist (etwa mit dem TSH bei der Schilddrüse vergleichbar). Als solches reagiert es auf die gesunkene Ausschüttung der Sexualhormone. Zugespitzt könnte man sagen, dass das FSH auf eine Unterfunktion der Eierstöcke regiert. FSH kann aber auch bei Männern zu Problemen bis zu Hitzewallungen führen, falls ihr Testosteron im Alter oder wegen einer Krankheit stark sinkt.
Oh, was für interessante Informationen, Irene! Wir werden die Männer jetzt noch stärker beobachten. Wenn die Schweiß auf der Stirn haben, wissen wir Bescheid. Klarer Fall von Hitzewallungen. Danke dir sehr für die Erklärung. Liebe Grüße, Esther