„Porträts sind meine Leidenschaft“
Mal fotografiert sie Schauspieler in L.A., mal Sozialreportagen in Hamburg. Sie arbeitet für große Printmedien wie den STERN und die ZEIT, und uns 40-something-Bloggerinnen setzte sie auch in Szene: Fotografin Isadora Tast hat mit Verena Carl über einen Traumberuf mit Tücken gesprochen
40-something: Für dein neuestes Projekt hast du 60 Schauspieler und Schauspielerinnen in Hollywood fotografiert – nicht die A-Promis, sondern eher die Handwerker aus der zweiten Reihe, deren Gesichter man nicht auf der Straße erkennt. Was hat dich daran gereizt?
Isadora Tast: Neben meinen Auftragsarbeiten für Magazine leiste ich mir alle paar Jahre ein großes Projekt, bei dem ich mich künstlerisch austoben kann. Vor sieben Jahren habe ich Aussteiger in Indien fotografiert und als Bildband „Mother India – searching for a place“ publiziert, jetzt hatte ich die Idee: Es gibt vor allem in den USA Orte, die für einen bestimmten Beruf und damit einen bestimmten Lebensentwurf stehen. Für Traumberufe, wenn man so will, die aber auch unglaublich schwer sind. Und die mit dem American Dream zu tun haben. Nashville fiel mir ein, Silicon Valley, aber erstens sehen die Leute dort ja alle ähnlich aus, und zweitens habe ich bezweifelt, ob ich auch an die richtigen Leute rankomme, an diese Garagen-Startups, die ich vor meinem inneren Auge hatte.
Also: Isadora goes to Hollywood…
Genau. Was mich an den Schauspielern gereizt hat: Das sind Menschen, die hart rackern für ihren Traum, die gut sind in dem, was sie tun, aber eventuell nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdient hätten. Im Gegenteil, immer wieder müssen sie sich zeigen, verwinden, wenn sie nicht genommen werden für Jobs, und bekommen nicht mal eine offizielle Absage nach den Castings. Trotzdem gehen sie mit Demut, mit Liebe zu ihrem Job und mit Optimismus durchs Leben.
Wie muss man sich den Alltag so eines Schauspielers in Hollywood vorstellen: Schlafen bis mittags, dann erstmal frühstücken…
Völlig falsch! Das sind höchst disziplinierte Leute, die haben alle noch einen Brotjob, die haben ihre Auditions, oft mehrere am Tag, und dazu machen sie häufig noch Studentenfilme oder Theater, damit ihre Kreativität nicht verkümmert.
Wie hat man diese Kreativität gespürt, wenn du mit ihnen gearbeitet hast?
Menschen, die gewohnt sind vor der Kamera zu stehen, sind natürlich eine gute Hilfe, wenn es um Bildideen geht. Einer der Schauspieler, die ich fotografiert habe, schlug vor, in seinem alten Ami-Schlitten über den Hollywood Boulevard zu fahren und dabei eine Beifahrerin im Micky-Maus-Kostüm mitzunehmen, die stehen dort ja an jeder Ecke, damit man sich mit ihnen fotografieren lassen kann. Das war eine ganz schöne Hauruckaktion, der Boulevard ist voll von Touristen, auf der Straße viel Verkehr, das hieß, ich hatte immer nur ein paar Sekunden Zeit zum Auslösen, und dann mussten wir der Mickymaus auch noch klarmachen, dass sie nicht debil gucken und winken soll.
Aber hinterher waren alle glücklich?
Ja, und es ist auch wichtig, das zu betonen. Das habe ich bei der Arbeit in den USA gelernt: Die Leute dort sind viel offener, spontaner und überschwänglicher, denen fiel die Kinnlade herunter, wenn ich bei einem Foto gesagt habe: Okay, that looks good, denn das heißt dort so viel wie: Na ja, geht so. Aber irgendwann habe ich mich auch an diesen anderen Maßstab gewöhnt und habe genossen, wie freigiebig die Leute mit Komplimenten sind.
Schauspieler in L.A., Kinder im ADHS-Landschulheim, oder auch uns drei Bloggerinnen von 40-something.de: Du bist Expertin für Porträts. Eine bewusste Entscheidung, oder hat sich das in deinem Job einfach ergeben?
Menschen vor der Kamera haben mich schon immer interessiert. Als ich mit 17 von meinem Vater meine erste Minolta bekam, habe ich schon diese Serien gemacht, Freundinnen kunstvoll in schneebedeckten Feldern drapiert, die dann melancholisch gucken sollten – solche Sachen. Porträts waren auch mein Ticket für die Fachhochschule Bielefeld, da bin ich einmal durch die Aufnahmeprüfung gefallen, weil ich dachte, ich müsste ganz verschiedene Stilrichtungen liefern, und als ich mich dann auf meinen Schwerpunkt Menschen konzentriert habe, hat es geklappt. Für meine Diplomarbeit habe ich dann Teenager fotografiert, und die Bilder wurden mit einigen Preisen ausgezeichnet und vom STERN gedruckt – ein toller Start, der mir dann in den folgenden Jahren viele Jobs mit Kindern und Jugendlichen verschafft hat. Heute werde ich für alles gebucht, ob Kinder oder alte Leute, Menschen von Nebenan, Soziales, Managerporträts oder Promis wie Iris Berben und Axel Prahl.
Gibt es einen Unterschied, ob du mit Normalos oder Berühmtheiten arbeitest?
Promis wissen, was sie tun, sie wissen über ihre Wirkung vor der Kamera, verstehen Bildideen und lassen sich oft auch für einen Moment darauf ein. Das wäre meistens ein ganz entspanntes Arbeiten, wenn man nur nicht immer so wenig Zeit dafür bekommen würde. Menschen, die die Kamera nicht gewohnt sind, wundern sich manchmal über meine Fotoideen oder zweifeln daran, ob sie auch fotogen sind. Es ist dann meine Aufgabe, dass die Menschen sich vor der Linse wohlfühlen und entspannen können, und es ist für mich das schönste Erfolgserlebnis, wenn das gelingt.
Wie machst du das?
Ich bin menschlich, mache mal einen Witz, rede mit den Leuten, nehme sie ernst. Zeit hilft ungemein, dass Leute auftauen. Oft lege ich schon mit dem Fotografieren los, auch wenn ich weiß, das wird jetzt noch nichts, einfach, damit nicht so eine Lücke entsteht und der Mensch vor der Kamera denkt, er macht etwas falsch. Irgendwann ist der Schalter dann umgelegt.
Und, schon wieder eine neue Idee für ein Großprojekt?
Um Gotteswillen! Das dauert jetzt wieder ein paar Jahre, das kann ich mir nicht allzu häufig leisten, ohne Auftraggeber zu arbeiten, zeitlich und finanziell. Ich hoffe, dass aus meinen Schauspielerfotos ein Buch entsteht, vielleicht auch eine Ausstellung.
Wenn’s soweit ist: Bitte Bescheid sagen! Dann können wir auf unserem Blog darüber berichten…
Mehr von Isadoras tollen Fotos sind hier zu sehen – und eine Serie der Schauspieler-Porträts im neuen Geo Wissen-Magazin, Thema Zuversicht. Lesen Sie im zweiten Teil: Zehn Tipps für bessere Fotos von Freunden, Kollegen und Familie – demnächst auf 40-something.de!