“Juhu – ich fahre auf die re:publica!” Äh – ja. Aber was ist das? Genau diese Frage stellten mir die meisten meiner Freundinnen und Freunde aus dem realen Leben. Die Freunde von Facebook und Twitter waren begeistert, denn sie wussten, dass ich nun also zur großen Konferenz rund um die digitale Welt nach Berlin fuhr. Und nicht nur ich, mehr als 9000 Besucher als über 70 Ländern waren da. Es war bunt, laut und voller Liebe.
Denn genau das war auch das Motto “Love out loud”. Und so ging es in vielen Vorträgen und Workshops und auf vielen Bühnen um den digitalen Wandel, um die Zukunft des Arbeitens, Lebens und Liebens. Es waren Tage voller Eindrücke und Begegnungen. Ein so buntes Kaleidoskop, das schwer zu beschreiben ist. Es ging um ernste Themen. Wie soll dem immer lauter werdenden Hass begegnet werden? Was tun, wenn seriöse Medien vorgeworfen wird, nur Lügen zu berichten? Und sind diese Fragen überhaupt wichtig für alle, die für Medien und Blogs schreiben, die keinen reinen Nachrichteninhalte haben? Speakerin Kübra Gümüşay fand die richtigen Worte. Sie erklärte: “Auch Unterhaltung braucht Haltung.” Und wie dem Hass und dem Phänomen “Fake-News” begegnet werden kann, darum drehte sich in diesen Tagen viel.
re:publica 2017: Liebe und digitaler Wandel
Wie weit geht das Ding mit diesem digitalen Wandel? Dazu zeigten auch viele Aussteller aktuelle Entwicklungen. Beim WDR gab es die Möglichkeit einen virtuellen Spaziergang durch den Kölner Dom zu machen. Ich hörte einen Chor und hatte wirklich das Gefühl, die Steine berühren zu können. Der Weg zum Holodeck scheint gar nicht mehr so weit. Was das ist? “Mit dieser Technik können auch Kinder in einem Hospiz noch einmal das Gefühl haben, dass sie durch einen Wald laufen oder auf einem Spielplatz sind.” Eine schöne Idee.
Die Entwicklungen in diesem Bereich sind rasant. Kein Wunder, denn der Bereich virtuelle Realität fasziniert. Immer mal wieder aus der echten Realität aussteigen, genau das machen Lesende und Tagträumer auch gern. Und nun werden die Träume von der Industrie fertig präsentiert und fühlen sich fast real an. Frauen können sogar die Welt durch die Augen eines Mannes sehen. Und dank der re:publica weiß ich nun sogar, wie ich auf meinen eigenen erigierten Penis herabgucken könnte, wäre ich ein Mann. Toll.
Das Berliner Start-up Amorelie vertreibt Sextoys und präsentierte die neuesten Spielzeuge und auch eine VR-Brille. Ich bekam um meine rechte Hand ein Armband, und jede Handbewegung wurde auf die Brille übertragen. Ich sah also eine Szene in einem Büro und offensichtlich war ich entweder ein sehr bedürftiger Kerl oder sehr blöd. Denn ich sah nur einen Schreibtisch, und wenn ich an mir herunter sah, meinen virtuellen Penis. “Und jetzt einfach mal so eine Handbewegung, als ob du dich befriedigst.” Ich fand das jetzt schon etwas peinlich. Ich konnte nicht sehen, ob mich herum viele Leute standen, ich hatte ja die Brille auf. So ein Schreibtisch ist doch gar nicht erotisch? Das ist eine sexuelle Fantasie? Aber nun gut, als kam die Hand zum Einsatz. Und mein männlicher Avatar fand das gut und reagierte. Mein weibliche Fantasie kam da nicht ganz mit.
Etwas verstört setzte ich die Brille wieder ab. Die Grafik war doch eher schlicht. Und nur diese Bewegung? Aber da ist noch mehr möglich, erfuhr ich. Denn tatsächlich kann die App mit einem so genannten Masturbator verbunden werden. Das fühlt sich vielleicht echter an. Aber es gibt auch noch anderes zu entdecken. Etwas für Paare in Fernbeziehung. Vibrator und Masturbator-Box können via App verbunden werden – und so kann sich dann ein Paar gegenseitig aus der Ferne stimulieren. Es ist zu erahnen, dass die Entwicklung hier auch bald vieles möglich macht.
Doch mit uns Frauen tun sich die Entwickler schwer. “Es gibt noch keine VR-Filme für Frauen. Das ist noch etwas kompliziert, Frauen haben so viele unterschiedliche Dinge, die sie erotisch finden.” Na, das ist doch eine Marktlücke. Solange müssen Frauen dann also in die Träume der Männer eintauchen. Oder eben ganz alleine träumen.
re:publica 2017: So viele Eindrücke
Weniger um Erotik, sondern mehr um Liebe und Hass ging es bei vielen Vorträgen. Woher kommt er überhaupt, dieser Hass? Das beantwortete Psychiater Jan Kalbitzer in einem sehr guten Vortrag. Wut entstünde aus Hilflosigkeit und dem Gefühl nicht gehört zu werden. Und Liebe? Die beruht darauf, die Andersartigkeit zu schätzen.
Darüber möchte ich mehr wissen, demnächst mit Jan Kalbitzer ausführlich über das Thema sprechen und dann hier bei 40-something berichten. Aber vorher muss ich mich von den vielen Eindrücken erholen, die in diesen Text gar nicht passen. Da war der Abend im äthiopischen Restaurant in sehr netter kleiner Runde, tolle Gespräche in Warteschlangen und auf dem “Hof”. Und der letzte Abend, auf dem ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder richtig lange getanzt habe. Die wunderbare Judith Holofernes und Großstadtgeflüster spielten live und ich habe mich verliebt …