Es war still. Komplett still. Kein Krachen, keine Rakete – und vor allem keine einzige Stimme. “Frohes neues Jahr” flüsterte ich und merkte, wie mir die Tränen die Wangen runterliefen. So unendlich einsam fühlte ich mich. Das ist in diesem Jahr genau 30 Jahre her.
Meine amerikanische Gastfamilie war mit mir und den Gastgeschwistern nach Salt Lake City zum Skilaufen gefahren. Am 31. Dezember verabschiedeten sich alle gegen 22 Uhr und gingen schlafen. Für mich unfassbar. Bis dahin war jedes Silvesterfest für mich eine Party. Als kleines Mädchen übernachtete ich bei den Großeltern und durfte Knallerbsen werfen, lange Fernsehen und das Feuerwerk bewundern. In späteren Jahren gab es Feten mit vielen Familien und vielen Kindern – die Erwachsenen waren meist beschäftigt, und wir Kinder durften bis in die Puppen aufbleiben, ausgiebig Filme gucken und durch das Gelände stromern. Silvester war trubelig, laut und lustig und immer feierte ich mit vielen anderen in das neue Jahr. Und dann kam das einsame Silvester. Danach das gruselige Silvester. Denn mein damaliger Freund entdeckte ausgerechnet zum Jahreswechsel, dass er auch eine andere Frau klasse fand und verschwand knutschend.
Jedes Jahr plante ich den Jahreswechsel – nur ja nicht allein sein
Kein Wunder, dass mir der Jahreswechsel suspekt war. Nur ja nie wieder allein sein. Schön lange planen. Es folgten Jahreswechsel mit einem Haufen Freunde in einem Häuschen in Dänemark, Skireisen mit Bekannten, eine eigentlich als kleine Runde gedachte Party, die legendär wurde, weil wir mit acht Leuten unendlich viel Spaß hatten und eigentlich alle große Feten besuchen wollten, die geplatzt waren. Und später verbrachte ich Silvester fast immer auf Reisen mit meinem Partner oder auf Festen im kleinen Kreis.
Die ersten Jahre mit den Kindern verreisten wir oft. Silvester war weniger wichtig – die laute Knallerei in der Großstadt wollte ich vermeiden. Wir feierten auch mit ein paar anderen Familien zusammen. Dann kamen die Jahre, in denen wir kein Paar mehr waren, aber noch zusammenlebten. Gemeinsame Reisen gab es so nicht mehr, und weil ich zwischen den Jahren arbeiten musste, feierte ich 2014 zum ersten Mal als Mutter, aber ohne meine Kinder, zusammen mit Freunden. Ich war nicht allein, aber ich fühlte mich komisch. Nur lauter Paare. Einige Kinder – aber nicht meine.
Lieber absichtlich allein als mit anderen einsam sein
Im letzten Jahr ließ sich Verena von Silvester überraschen. Ich plante wieder mein Fest. Nach 29 Jahren war es an der Zeit die alte Geschichte zu überwinden. Obwohl ich auf Feten eingeladen war (und nicht nur auf Pärchenfeiern) – entschied ich mich für ein Silvesterfest allein zu Hause. Die Kinder waren mit ihrem Vater verreist. Und ich ging lange spazieren. Kochte mir etwas Leckeres. Und freute mich darauf, einen Film in der Originalfassung zu gucken. Einen leckeren Rotwein gab es auch. Es tat gut. Ich war allein, fühlte mich aber nicht einsam. Selbstgewähltes Alleinsein ist schön, viel schöner, als sich unter anderen Menschen einsam zu fühlen. Um kurz vor Mitternacht ging ich dann noch zu meiner Nachbarin, um auf das neue Jahr mit ihr und ihrem Mann anzustoßen. Auf der Straße trafen wir noch andere Nachbarn, sahen uns das Feuerwerk an und wünschten uns ein frohes neues Jahr. Allein ging ich wieder nach Hause, kuschelte mich ein und träumte einen wunderbaren Traum. Und so fing ein neues Jahr an, in dem einiges passierte …
Den Jahreswechsel 2016/2017 werde ich mit Freunden und meinen Kindern feiern. Aber ich weiß jetzt, dass ich auch allein gut feiern kann. Wenn es freiwillig ist.
Was habt ihr vor? Wie kommt ihr ins neue Jahr? Beschaulich oder berauschend? Mit vielen Lieben oder mit Solo-Party? Der Jahreswechsel ist oft ein Zeit für einen Rückblick. Wir drei schmieden aber auch schon neue Pläne. Mehr verraten wir dann im neuen Jahr …
Esther, Verena und ich wünschen euch ein wunderbares Fest. Und ein glückliches neues Jahr 2017!