Freitag zur Gesichts- und Dekolletee-Pflege, Samstag Ayurveda-Stirnguss oder Hot-Stone-Ölmassage, Sonntag Sauna und Aromabad: der klassische Wellness-Urlaub, wie wir ihn kennen und lieben. Doch die kurze Auszeit fürs Ich ist heute mehr als das, sagt Michael Altewischer, Geschäftsführer der deutschen Wellness-Hotels und -Resorts, einem Zusammenschluss von 46 Vier- und Fünf-Sterne-Häusern in Deutschland, Österreich und Südtirol (Foto oben: (c) Hubertus Alpin Lodge und Spa). Verena hat mit ihm gesprochen: über Retro-Trends, digitale Veränderung, meditierende Männer und die Frage, ob Menschen immer noch die gleichen Bedürfnisse haben wie vor 2000 Jahren. Und was das für den Wellness-Urlaub 2.0 bedeutet.
40-something: Wellness-Urlaub – was heißt das eigentlich für Sie?
Michael Altewischer: Gesundheit, die Spaß macht. Mit allem, was dazu gehört, vom genussvollen Essen bis zur Bewegung. Denn nicht alles, was gesund ist, macht uns Spaß, und nicht alles, was Spaß macht, ist gesund. Wellness passiert dort, wo beides zusammenkommt, und ist eine Angelegenheit von Körper, Seele und Geist. Wohlbefinden umfasst immer alle drei Aspekte, das ist nicht nur meine Botschaft, das finden Sie in uralten Gesundheitsphilosophien wie dem Ayurveda genau so wie in den verschiedenen Weltreligionen. Etwa die Fastenzeit in Christentum und Islam oder die Sabbatruhe im Judentum.
Wenn man sich die Angebote Ihrer Mitgliedshotels anschaut, fällt auf: Das pure Wellness-Konzept, also Massage plus Beauty plus gesundes Essen allein, wird zunehmend erweitert. Da gibt es zum Beispiel Angebote, die Meditation umfassen, Coaching, intensive Sportprogramme. Sind die Ansprüche gestiegen?
Wellness-Urlaub war nie weniger als das – genau so haben sich das die Vordenker der Wellness-Bewegung in den 70er Jahren in den USA gedacht. Als sich in den frühen Neunzigern die ersten Hoteliers in Europa, vor allem in Österreich, etwas davon abschauten, war das Angebot allerdings meistens ziemlich überschaubar. Salopp gesagt: schminken, Massagen, am Beckenrand herumdümpeln. „Wellnesshotel“ und „Schönheitsfarm“, das war damals fast ein Synonym. Als wir vor 20 Jahren unseren Hotelverbund gründeten, war uns von Anfang an wichtig, dass alles dazu gehört: Bewegung, Ernährung, soziale Kontakte, Entspannung und Kosmetik. Schon damals hatten wir beispielsweise Yoga mit im Angebot.
Gleichzeitig ist es auch paradox: Wir fahren ein paar Tage weg, um zu entspannen und den Kopf freizupusten, und ballern uns dann zu mit einem dichtgedrängten Pensum an Angeboten. Klingt fast schon stressig….
Sicher – oft ist der Wunsch Vater des Gedankens. Wir beobachten das auch bei unseren Gästen: Sie hätten tausend Möglichkeiten, etwas für Körper und Geist zu tun, und möchten dann manchmal am liebsten einfach im Liegestuhl abhängen. Und wissen Sie was: Das ist völlig in Ordnung. Manchmal reicht es auch, zu wissen, dass die Möglichkeiten da sind: sich etwa abends einen Vortrag zum Thema „gesunder Schlaf“ anhören, oder sich beraten lassen, wie man in einem Alltag mit vielen Geschäftsessen in der Speisekarte die Angebote findet, die nicht belasten. Aber das darf nie zum Zwang werden. Im Grunde hat der Mensch ja immer noch die gleichen Bedürfnisse nach Abschalten und Erholung wie vor 2000 Jahren. Denken Sie ans alte Rom: Auch die Patrizier trafen sich ja gern zu Sport, Sauna, Massage und Smalltalk.
Wellness-Urlaub 2.0: Das Netz ermöglicht individuelle Programme für jeden
Hat die zunehmende Digitalisierung die Wellnesswelt verändert?
Ja. Etwa 25 Prozent unserer Gäste nutzt im Alltag Apps, die beispielsweise die Fitness messen oder die eigene Ernährung protokollieren. Aus einer Befragung wissen wir, dass drei Viertel von ihnen sich wünschen, diese Daten besser für sich zu nutzen. Konkret: Im Wellnessurlaub auf einen Fitnesscoach zu treffen, der diese Daten mit ihnen interpretiert und auf der Grundlage ein individuelles Trainings- und Ernährungsprogramm mit ihnen zusammenstellt. Das ist für beide Seiten wertvoll, für den Anbieter und für die Gäste.
Haben Frauen andere Erwartungen an Wellness-Urlaub als Männer?
Früher galt pauschal: Er will Sport, sie auf die Sonnenliege und zur Beauty. Aber das stimmt heute so nicht mehr. Die Frauen haben das Training für sich entdeckt, und die Männer, dass eine Beauty-Behandlung nicht unmännlich ist. Viele Paare, die gemeinsam kommen, suchen vor allem gemeinsame Erlebnisse, gemeinsame Zeit. Das kann beim Sport sein, aber auch bei der gemeinsamen Achtsamkeitsmeditation.
Wo kommen die neusten Trends im Wellnessbereich her?
Wir besinnen uns in den letzten Jahren zunehmend auf unsere eigene Tradition – es gibt nämlich tolle, nachhaltige, regionale Wellness-Techniken, die lange völlig zu Unrecht ein verstaubtes Image hatten. Etwa Kneippgüsse, Moor- und Lehmbäder. Es muss nicht immer Ayurveda oder traditionelle chinesische Medizin sein – auch die traditionelle europäische Medizin kennt wirksame Methoden, das Wohlbefinden zu verbessern. Manchmal braucht es Gäste aus dem Ausland, die einem die Augen öffnen für die eigenen Schätze. Nicht alles, was wirkt, kommt aus Asien!
Wellnessinseln im Alltag: Auch eine Wanderung kann wie Meditation sein
Zum Schluss interessiert uns: Was war Ihr persönliches Wellness-Highlight?
Ich gehe gerne wandern. Die beeindruckendste Erfahrung, die ich in letzter Zeit gemacht habe, war aber keine Rekord-Tour, sondern im Gegenteil eine Entschleunigungswanderung im Allgäu. Wir haben viereinhalb Stunden für zwei Kilometer gebraucht, weil der Guide uns auf so viele interessante Dinge am Wegrand hingewiesen hat: wie ist ein Ameisenhügel gebaut, wie kommunizieren Bäume? Das ist für mich die schönste Kombination von Bewegung und Meditation. Die Welt wahrnehmen wie ein staunendes Kind, das sich in jeder Beobachtung unterwegs verlieren kann, statt stramm auf ein Ziel zuzumarschieren. Mit wachen Augen durch die Welt gehen, oder einfach mal im Garten sitzen, Wolkenformationen beobachten, Smartphone weglegen. Das ist wie eine kleine Wellnesspause im Alltag. Dafür brauche ich nicht mal ein Hotel!
Info: Die Angebote der Wellnesshotels- und Resorts findet ihr unter www.wellnesshotels-resorts.de