Kaffee ist in aller Munde. Laut dem Deutschen Kaffeeverband liegt der “Pro-Kopf-Konsum von Kaffee bei 162 Litern.” Mein Kopf macht da nicht mit. Mein Mund auch nicht. Irgendwer in diesem Land trinkt offensichtlich sehr, sehr viel des Bohnengetränkes. Und lange Jahre dachte ich, ich müsse da irgendwie mithalten. Endlich bin ich alt genug, um ganz offen zu meiner Beziehung zu Kaffee zu stehen. Ich trinke nur ganz wenig mit viel, viel heißer Milch. Und das nicht einmal täglich. Es ist kompliziert.
Als Kind liebte ich den Geruch von frisch geröstetem Kaffee. Morgens durfte ich oft die Bohnen in die elektrische Mühle einfüllen und den Knopf drücken. Am frisch gemahlenen Pulver schnupperte ich gern – probieren durfte ich den Filterkaffee nicht. Kam der Wind aus Hafenrichtung, roch es in meiner Heimatstadt immer ein wenig nach Malz und gerösteten Bohnen – in Bremen gehörte Kaffee einfach zum Leben dazu und im Hafen standen große Röstereien und Brauereien. Bei meiner Oma durfte ich sogar ein wenig Kaffee trinken, mit ganz viel Milch, Zucker und einem Teelöffel Kaffee. Es hätte eine wunderbare Liebe zum beliebten Heißgetränk werden können.
Doch dann kam der lösliche Getreidekaffee. Und vermieste das potentielle Glück. Auf jener Kur, die schon so unsäglich mit dem Verlust meines Bären begann, mussten wir Kinder jeden Morgen eine Tasse Getreidekaffee trinken. Ich fand den ekelhaft. Der Geruch, der Geschmack. Grusel. In diesen vier Wochen musste ich Dinge trinken und essen, die ich nicht mochte. Verweigerte ich mich, kam die Ansage, dass ich am Tisch zu sitzen hätte. Gefühlt verbrachte ich dort einige Stunden. Zur Strafe durfte ich auch nicht die Prinzessin im Theaterstück spielen, sondern musste einen Baum darstellen. Für mich als Kind, das bisher nur einen antiautoritären Kinderladen und diskussionsfreudige Eltern kannte, eine Katastrophe. Was blieb? Eine Aversion gegen rote Beete, Kapern, Teewurst – und Kaffee.
In den nächsten Jahren merkte das keiner. Noch während meines Studiums registierte niemand, wie wenig ich Kaffee mochte. Das, was aus dem Automaten in der Mensa kam, das mochte ja niemand trinken. Und bei Studiengruppen und Partys wurden eher andere Getränke bevorzugt. Doch dann kamen meine ersten journalistischen Praktika. Im ZDF-Landesstudio fiel es auf, dass ich keinen Kaffee trank. Meine Teekanne wurde eher mit Kopfschütteln bedacht. “Mit dem Tee wirkst du immer ein wenig langsam”, sagte mir eine Kollegin. Es war ein wohlmeinender Rat. Ich lernte Höflichkeits-Kaffee zu trinken.
In Vorstellungsgesprächen, bei Terminen oder bei wichtigen Interviews trank ich Kaffee. Weil es alle taten. Auch wenn ich ihn am liebsten so wie bei Oma getrunken hätte – mit zu viel Milch und zu viel Zucker – ich goß nur ein wenig Milch in die Tasse hinzu und trank. Später erst lernte ich, dass ich tatsächlich milden Kaffee ein wenig mag. Viele, viele Höflichkeits-Tassen rannen meine Kehle runter und verursachten leichtes Sodbrennen und schlaflose Nächte. Aber ich war höflich.
Ich trank mit Kolleginnen nach der Mittagspause noch ‘nen “Latte”, traf mich mit Freunden “auf ein Tässchen” und mochte das Zeug eigentlich nicht. Was ich mochte? Die Treffen an sich. Die Atmosphäre in einigen Cafés. Die soziokulturelle Funktion des Kaffees – draußen nur Kännchen.
Dann wurde ich Mutter und lernte extremen Schlafmangel kennen. Koffein hilft tatsächlich dagegen. Also trank sogar ich nun endlich am Morgen Kaffee. Vor allem Kaffeespezialitäten mit Milchschaum mag ich mittlerweile. Manchmal. Aber ich sage auch oft genug, dass ich keine Tasse mittrinke. Auch bei wichtigen Gesprächen muss das nicht sein. Ich bin alt genug, um zu meinem Geschmack zu stehen. Und dazu, nicht aus Höflichkeit etwas tun zu müssen, das mir unangenehm ist. Tolles Gefühl – wollen wir darauf mal mit einem Caramel Macchiato oder einem französischen Milchkaffee anstoßen?
Liebe Silke, der Artikel ist toll geschrieben. Was Kaffee angeht, so hatte ich das gleiche Problem. Der Industriekaffee aus dem Supermarkt hat mir auch nicht geschmeckt und ich habe ihn auf Dauer nicht vertragen. Deshalb trank ich jahrelang nur noch Tee. Seit einigen Jahren gibt es aber immer mehr kleine Betriebe, wo Kaffeeröstung noch Handarbeit ist und wo man sich Zeit für die Röstung nimmt. Dort schmeckt der Kaffee nicht nur viel besser, er ist obendrein gut verträglich. Durch die längere Röstzeit verschwindet die Chlorogensäure und die Aromen, die von Natur aus in der Kaffeebohne vorhanden sind, kommen zur Geltung.